Roundnet-Star: “Wir brauchen ein höheres Netz!”
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Seit 2016 stand er jedes Jahr bei den US-Meisterschaften auf dem Treppchen: Preston Bies ist einer der weltbesten Roundnet-Spieler. Auch seine Freizeit widmet er dem Sport, genauer gesagt, der Entwicklung anderer Spieler. Für seinen Youtube-Account “How to Roundnet” produziert er Videos, in denen er sein Wissen teilt. Mit MUS hat er über die Entwicklung des Sports gesprochen.
Magazin des unpopulären Sports (MUS): Du bist heute einer der besten US-Spieler. Was sind deine Ziele bezüglich der US-Meisterschaft und der Weltmeisterschaft?
Preston Bies: Ich will der beste Spieler der Welt sein, keine Frage. Aber noch viel mehr möchte ich Liebe für den Sport verbreiten. Letztendlich ist es mir nicht so wichtig, auf welchem Platz genau ich lande. So lange ich zu den Besten gehöre und Spaß habe, bin ich mehr als glücklich.
MUS: Für Roundnet reist du durch ganz Amerika und sogar ins Ausland. Wie deckst du die Kosten?
Bies: Ich habe einige Sponsoren. Die Firma Spikeball zahlt uns ein Stipendium, dafür dass wir Teil der Elite sind, also der besten acht Teams. Ich habe auch einige lokale Sponsoren. Das reicht aus, um die Reisekosten zu decken. Dass ich dadurch auch noch viele Orte überall auf der Welt sehen kann und die Communities vor Ort kennen lerne, ist ein großes Plus.
MUS: Du bist Personal Trainer. In der Vergangenheit hast du gesagt, dass eine deiner größten Stärken im Sport deine Fähigkeit ist, eigenen Bewegungsabläufe zu analysieren und zu verbessern. Was ist deine größte Schwäche?
Bies: Wahrscheinlich zu viel Spaß haben zu wollen. Da es auf der obersten Ebene wenig bis gar keine Belohnungen gibt, möchte ich viel Spaß haben und wirklich jede Sekunde des Spiels genießen. Im Spiel steckt kein Geld und heutzutage gibt es wenig spielerische Höhepunkte. Ich finde es schwierig mich weiter zu motivieren und mich auf das Gewinnen zu konzentrieren. Meine Belohnung ist der Spaß und mal einen Schlag hinterm Rücken zu versuchen, auch wenn ein anderer Schlag vernünftiger gewesen wäre. So habe ich schon viele Punkte verloren.
MUS: Wie hat sich das Spiel verändert, seit du das erste Mal gespielt hast?
Bies: Als ich damals angefangen habe, hatten die Spieler jedes Turnier Krämpfe und es gab reichlich Ballwechsel. Das war damals anders als heute, allerdings nicht so sehr, weil das Spiel sich verändert hätte, sondern weil die Leute damals einfach gespielt haben, um zu spielen. Damals war das Spiel sehr athletisch, aber nicht so technisch.Jetzt, da immer mehr Techniken geübt werden und die für den Sieg notwendige Konstanz vorhanden ist, sind Ballwechsel seltener geworden, und die Offensive übernimmt in sehr großem Umfang die Oberhand. Im Kern ist es immer noch dasselbe Spiel, aber die meisten Athleten haben heute neue Höhen erreicht, die damals nicht für möglich gehalten wurden.
MUS: Wünschst du dir manchmal, dass du die Zeit zurückdrehen könntest, als es noch mehr Ballwechsel gab?
Bies: Ja, aber gleichzeitig auch nein. Damals hat der Sport mehr Spaß gemacht. Nach jedem Turnier tat alles weh und ich hatte Muskelkater. Aber es hat so viel Spaß gemacht. Ich würde sagen, dass das Finalspiel der US-Meisterschaft 2016 mein letztes wirklich spaßiges Spiel war. Dahin würde ich schon gerne zurück gehen. Damals hast du gut abgeschnitten, wenn du athletisch warst und ein paar Skills hattest. Es gab viele Ballwechsel und nach dem Spiel war ich super aufgeregt, weil wir so viele großartige Spielszenen hatten. Heute kannst du froh sein, wenn du eine gute Spielszene in einem Spiel hattest. Dafür hast du viele gute Angaben, aber halt nicht so viele gute Spielszenen.
Der beste Spieler der Welt werden zu können, ist cool, aber ich würde trotzdem gerne die Zeit zurückdrehen.
MUS: Du sagst es gibt weniger Ballwechsel. Ist Roundnet also langweilig geworden? Wie würdest du den Sport verändern, um ihn ausgeglichener und spannender zu machen?
Bies: Ich bin mir nicht sicher, was die perfekte Veränderung ist. Das, was jedoch am meisten verändert werden muss, ist das Schlagen, insbesondere die Flugbahn des Schlagens. Momentan fliegen die Bälle den Verteidigern unterm Knie vorbei und die Winkel, die aus einem perfekten Satz über die Mitte des Netzes getroffen werden können, sind wirklich überhaupt nicht begrenzt.
Ich denke, eine positive Veränderung wäre es, die Gesamthöhe des Netzes zu erhöhen. Dies würde die Beweglichkeit der Person, die den Angriff abschließt, um das Netz herum einschränken und den Trefferwinkel erhöhen, so dass die Verteidiger athletischer sein könnten und in der Verteidigung mehr Selbstvertrauen hätten. Das würde auch das Stellen des Balls etwas erschweren, weil die Schlagenden weniger Zeit hätten, zu reagieren und den Ball zu schlagen.
MUS: Was gefällt dir an Roundnet am besten?
Bies: Das ist die einfachste Frage hier. Ich glaube die meisten Spieler weltweit würden das Gleiche antworten: die Roundnet-Community.
MUS: Was war denn die schönste Erfahrung in dieser Community?
Bies: Ich möchte sagen, dass das allgemeine Gefühl meine Lieblingserfahrung ist. Wo auch immer auf der Welt du hingehst, es ist immer dasselbe Gefühl: Offene, einladende Arme, ein Lächeln auf den Gesichtern aller und eine "Alle für einen und einer für alle"-Haltung.
Jeder möchte diese Gemeinschaft wachsen lassen, und das war überall, wo ich gewesen bin, zu spüren. “Kindness rules and bullies drool”... oder so ähnlich. Lacht.
MUS: In Deutschland ist Roundnet noch ein unpopulärer Sport. Hast du schon andere (unpopuläre) Sportarten betrieben?
Bies: Ja, Roundnet in Amerika. Lacht. Jetzt aber ernsthaft. Ich habe so ziemlich jedes lustige/neue/neue/unbeliebte Spiel gespielt, das es gibt. Ich habe sie nicht in dem Maße gespielt, wie ich Roundnet spiele, aber ich bin sicher, dass ich sie gespielt habe! Und nur mal so am Rande: Roundnet ist in Deutschland populär, soweit ich das gesehen habe!
MUS: Du warst schon mal in Deutschland. Was war dein Eindruck vom Land und von der Roundnet Community?
Bies: Lebenslustige, fleißige, Bier-trinkende und rundum super coole Roundnet-Spieler! Im Land habe ich nicht ganz so viel Zeit verbracht, aber ich kann sagen, dass ich die Menschen überall, wo ich hinkam, sehr genossen habe. Mit Ausnahme vom Bahnhof … da waren sie überhaupt nicht hilfreich. Aber ehrlich gesagt, ich denke, die Leute spiegeln das Land wieder, rundum großartig!
MUS: Vor etwa einem Jahr hast du den Youtube-Channel “How to Roundnet” gestartet. Wie ist es dazu gekommen? Und wo möchtest du mit dem Channel in Zukunft hin?
Bies: Es fing eigentlich einfach an, weil ich Tutorial-Videos machen wollte. Es gab noch nichts da draußen, und ich hatte das Gefühl, dass ich eine ziemlich gute Vorstellung davon habe, wie man diese Fähigkeiten vermittelt. Also schrieb ich Ryder an, ohne wirklichen Plan, und wir entwickelten langsam aber sicher eine anständige Datenbank mit Tutorials und anderen lustigen Dingen!
Was die Zukunft angeht...wir wissen es noch nicht genau. Aber ich würde super gerne weiter Reisen und and Roundnet-Communities auf der ganzen Welt treffen. Wir möchten hier eine Marke aufbauen und DIE Anlaufstelle für alles werden, was mit Roundnet zu tun hat.
MUS: Hilft der Kanal dir, deinen Lebensunterhalt zu bestreiten, oder ist er eher ein Hobby?
Bies: 100 Prozent Hobby und 0 Prozent verdienen wir unseren Lebensunterhalt. Lacht. So cool das auch wäre, im Moment tue ich das nur, weil ich es liebe, Menschen dabei zu helfen, besser im Roundnet zu werden und mit Freunden lustige Inhalte zu produzieren.
MUS: In Deutschland besteht die Roundnet-Community aus viel mehr Männern als Frauen. Wie ist die Situation in den USA? Und was würdest du vorschlagen, um dieses Ungleichgewicht zu ändern?
Bies: Hier in den USA ist es ungefähr genauso, ehrlich gesagt wahrscheinlich noch einseitiger (Männer zu Frauen). Ich denke, es beginnt auf lokaler Ebene. Den Sport können eindeutig alle betreiben, es geht nur darum, Frauen einzuladen, unter Männern zu spielen. Was die Technik betrifft, so können Frauen locker mit Männern mithalten.
Also es geht wirklich nur darum, mehr Frauen zum Spielen einzuladen und die Frauen hervorzuheben, die spielen, denke ich! Und selbst wenn Frauen den Sport nicht lieben, werden sie die Roundnet-Community trotzdem lieben.
MUS: Wir haben einen Screenshot von dir mit Jeff Knurek gesehen. Wie hast du den Erfinder des Sports kennengelernt?
Bies: Ich habe ihn leider noch nicht persönlich getroffen. Jeff hat mich wegen seiner Firma Club Spike angesprochen. Er hat viele tolle Ideen. Er liebt das Spiel; es ist wie sein Baby. Das ist schön zu sehen, also möchte ich Teil davon sein. Ich kann momentan noch nicht so viel sagen, aber er möchte die Marke “Club Spike” weiter verbreiten. Es wird sehr viel mehr sein, als nur Roundnet Clubs überall in den Staaten.
Die Fragen stellte Hannah Wolff.