Orga-Aufwand und Hygiene-Verstöße: Kein Quidditch bis zum Frühjahr
von Daniel Knoke
Wer Quidditch spielt und aktuell etwas über den Tellerrand blickt, der kommt doch leicht ins Grübeln. Der Blick zu anderen Sportarten sorgt für Frust. Tatsächlich haben die meisten Sportarten (populäre und unpopuläre) inzwischen den Wettkampfbetrieb wieder aufgenommen. Es werden Ligaspieltage und Turniere gespielt und das nicht nur bei Sportarten, die sowieso in einer Pandemie relativ problemlos möglich sind wie Roundnet oder Padel, sondern auch in Sportarten wie Einradhockey oder Jugger. Beim Quidditch hingegen ruhen Bälle und Besen – und das seit Anfang des Jahres.
Eine Nachfrage beim Deutschen Quidditchbund (DQB) ergibt wenig Hoffnung, dass sich dieser Zustand in absehbarer Zeit ändert. Die ursprünglichen Ankündigungen, dass ab Oktober wieder Ligaspieltage möglich sein können, haben sich längst zerschlagen. DQB-Präsidentin Monique Renk glaubt auch nicht an Quidditch-Spiele im Winter. „Wir halten es nach heutigem Wissen für wahrscheinlich, dass der Spielbetrieb im Frühling langsam wieder hochfahren werden kann“, erklärt Renk. Sie begründet diesen Zeitpunkt mit steigenden Temperaturen und dann hoffentlich wieder fallenden Infektionszahlen.
Diese Einordnung erscheint realistisch, denn selbst die größten Optimisten können sich vermutlich nicht vorstellen, in der aktuellen Situation ein bundesweites Turnier zu veranstalten – Stichwort Beherbergungsverbot. Einfach gesagt: Halb Deutschland ist aktuell ein Risikogebiet, da ist an ein Quidditchturnier mit Teams aus allen Ecken des Landes nicht zu denken.
Ein komplettes Jahr ohne Quidditch-Spiele
Die Dramatik hinter dieser Erkenntnis wird erst auf dem zweiten Blick deutlich. Schließlich bedeutet diese Ankündigung nichts anderes, als dass es dann mindestens ein komplettes Jahr kein einziges Quidditchspiel in Deutschland gegeben hat. Was das für eine junge, wachsende Sportart bedeutet, die sich nach wie vor im Aufbau befindet, ist kaum abzuschätzen. Wie viele Teams werden nach einem kompletten Jahr ohne Wettkampf überhaupt noch spielfähig sein? Können Neulinge nur durch Training bei der Stange gehalten werden? Diese Fragen werden sich erst beantworten lassen, wenn Quaffel und Bludger wieder fliegen.
Aktuell stellen sich andere Fragen. Warum wurden die Monate mit sommerlichen Temperaturen und niedrigen Infektionszahlen (August und September) nicht wie in anderen Sportarten genutzt, um erste Ligaspieltage auszutragen? Schließlich hat zum Beispiel Jugger ähnliche Voraussetzungen wie Quidditch. Einradhockey als weiteres Beispiel wird sogar in Sporthallen gespielt. Obwohl die Infektionsgefahr in geschlossenen Räumen viel größer ist als draußen an der frischen Luft, sind Ligaspieltage und Turniere möglich gewesen.
Scheitert Quidditch an der Bürokratie?
Hat Quidditch diese Chance einfach verpasst? DQB-Präsidentin Renk verweist bei diesem Thema auf den Organisationsaufwand: „Im Quidditch besitzen wir inzwischen für die Größe unseres Sports eine hohe Organisationskultur, die zum Beispiel die von Jugger deutlich übersteigt.“ Diesem Argument kann man durchaus folgen. Hierzulande werden offizielle Quidditch-Turniere durch den Deutschen Quidditchbund organisiert. Im Jugger gibt es zum Beispiel gar keinen nationalen Verband. Turniere werden von einzelnen Teams oder Vereinen organisiert. Das ist natürlich bedeutend einfacher und in Pandemiezeiten flexibler möglich.
Ist Quidditch in dieser Frage also an der eigenen Bürokratie gescheitert? Wäre es nicht möglich gewesen zum Beispiel einzelne Spieltage der Bayernliga oder der NRW-Liga im Spätsommer auszutragen? Schließlich sollten die Corona-Regeln kein Problem darstellen, wenn nur Teams aus einem Bundesland beteiligt sind. Auch unterschiedliche Trainingslevel aufgrund der Pandemie sollten hier kein Thema sein. Diese Fragen stellen sich, sind aber müßig zu diskutieren, denn inzwischen ist diese Chance vermutlich vertan. Die steigenden Infektionszahlen werden wahrscheinlich auch bei anderen Sportarten wieder zur Einschränkung des Wettkampfbetriebs führen.
Hygiene-Verstöße bei der Quidditch Akademie
Für das Beispiel Quidditch ist es hingegen viel interessanter, einen Blick auf die einzige Veranstaltung zu werfen, die der DQB im September organisiert hat: die Quidditch-Akademie. Hier kommen jährlich Interessierte aus der Quidditch-Szene zusammen, um gemeinsam Neues zu lernen. Dabei geht es um Trainingsinhalte, Taktik, Organisation, Soziales und vieles mehr. Teil dieses Lernwochenendes sind auch immer gemeinsame Traininsworkshops und Trainingsspiele vor Ort.
Für die Auflage des Jahres 2020 hatte der DQB ein ausführliches Hygienekonzept ausgearbeitet. Es gab zwei komplett voneinander getrennte Gruppen, die sich weder im Training noch beim Essen oder in den Übernachtungsstätten begegnen sollten. Doch in der Umsetzung haperte es leider. „Unerfreulicherweise hielten sich nicht alle Personen an das Konzept“, weiß Präsidentin Renk zu berichten. So sei es vorgekommen, dass beim Trainingsspiel am Samstagnachmittag manch einer bei einer anderen Gruppe mitgespielt hat. Für Renk bedeutet das, dass künftig ähnliche Konzepte auf Quidditch-Veranstaltungen schärfer kontrolliert werden müssen. Auf die Eigenverantwortung könne man sich offenbar nicht verlassen.
Eine betrübliche Erkenntnis, die sicher nicht dazu beiträgt, dass Quidditch-Spiele in naher Zukunft unbeschwert möglich sind. Immerhin für den Deutschen Pokal zeigt sich Renk optimistisch. Dieses Turnier ist für das Pfingstwochenende am 22./23. Mai 2021 in Bingen am Rhein geplant. „Wir sind sehr froh, dass die Stadt Bingen uns im kommenden Jahr das gleiche Angebot machen konnte, wie in diesem Jahr“, betont Renk. Sie hofft darauf, dass „wir einen einigermaßen normalen Pokal an Pfingsten spielen können.“ All diejenigen, die ihr Herz an Quidditch verloren haben, hoffen sicherlich mit!