Kendama: Vom Trinkspiel zum Wettkampfsport
von Hannah Wolff
Es ist eine unglaubliche Präzision notwendig, um Kendama-Tricks ausführen zu können. Das führt dazu, dass Kendamas sogar in der Robotertechnik verwendet werden. Wissenschaftler haben nützliche Erkenntnisse gewonnen, indem sie es geschafft haben, Robotern beizubringen die Kendama-Kugel mit dem Kendama-Stab zu fangen. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.
König Heinrich III. spielt Kendama
Verfolgt man die Spur des modernen japanischen Kendamas zurück zu seinen Ursprüngen, landet man vermutlich bei den kanadischen Inuit. Aus Walrosszähnen oder Rentiergeweihen spitzte die indigene Volksgruppe Nordamerikas ihre Variante des Geschicklichkeitsspiels. Neben dem spitzen Stab erzeugten sie einen Knochen mit Loch und verbanden die beiden Gegenstände. Ziel des Spiels war es, den Knochen mit der Spitze des Stabs aufzufangen.
Ein ähnliches Spiel, diesmal aus Holz, tauchte im Frankreich des 16. Jahrhunderts auf. Bilboquet eroberte hier nicht nur Kinderherzen. Sogar der französische König Heinrich III. liebte das Spiel und verhalf ihm so zur Mode. Auch wenn die Annahme nahe liegt, dass es sich bei Bilboquet um eine Abwandlung des indigenen Spiels handelt, ist dies keine gesicherte Erkenntnis.
Erst Selbstverteidigungswaffe dann Trinkspiel
Nach Japan gelangte das Geschicklichkeitsspiel vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts über die Seidenstraße. Schnell erkannten Frauen den Nutzen des vermeintlichen Spiels. Sie spitzten den Holzstab weiter zu, verstärkten die Spitze mit Metall und erzeugten so eine dezente Waffe.
Dies sollte jedoch nicht die einzige Verwendung des Holzstabs mit Kugel bleiben. Es dauerte nicht lange, bis die Japaner sein Potenzial als Trinkspiel entdeckten. Sie höhlten die Unterseite des Stabs etwas aus, sodass sich ein “Teller” formte. Reihum versuchte jeder Spieler, die Kugel im Teller zu fangen. Wer es nicht schaffte, musste trinken. Ob die Erfolgswahrscheinlichkeit bei diesem Spiel mit steigendem Alkoholpegel abnahm, wurde allerdings nicht überliefert.
Kendama wird zum Sport
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Spiel unter japanischen Kindern und Frauen ein Hit - diesmal nicht als Waffe, sondern als Zeitvertreib. Kendama-Hersteller machten daraufhin in Japan Werbung, indem sie Wettkämpfe für Kinder auf öffentlichen Plätzen abhielten. Innerhalb dieser Wettkämpfe entwickelten sich Tricks, die bis heute das Kendama-Spiel prägen, wie zum Beispiel der Leuchtturm. Hierbei wird das Kendama an der Kugel gehalten und der Holzstab so in die Luft geschwungen, dass er auf der Kugel landet und aufrecht wie ein Leuchtturm in der Brandung steht. In dieser Zeit (1918) erhielt Kendama auch durch das Hinzufügen der hammerartigen seitlichen “Teller” seine heutige Form.
Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Kendama zunächst in Vergessenheit, wurde aber in den 60er-Jahren wiederentdeckt. Nicht von Kindern, sondern erneut von Erwachsenen. Diese organisierten sich in lokalen Kendama-Clubs. So entwickelte sich das Geschicklichkeitsspiel zum Sport. Die 1975 gegründete Japan Kendama Association katalogisierte die verschiedenen Tricks und entwickelte ein System, wie man es zum Beispiel aus dem Kampfsport mit verschiedenen Gürtelfarben kennt. Um auf die jeweils nächste Stufe aufzusteigen, müssen die Schüler*innen bestimmte Tricks vorführen.
Ob bald auch Roboter Kendama spielen?
Während Kendama Japan im Sturm eroberte, dauerte es länger bis sich der Sport internationaler Beliebtheit erfreute. Erst 2008 fanden in Großbritannien die ersten Meisterschaften außerhalb des asiatischen Kontinents statt. Seitdem hat die Anzahl der Kendama-Turniere jedoch stark zugenommen. Inzwischen finden auch deutsche Meisterschaften statt und seit 2014 gibt es einen jährlichen Weltcup in Hatsukaichi (Japan). Hier zeigen jeweils 500 Spieler*innen ihre anforderungsvollen Tricks.Ob auch Roboter künftig in den Wettkampfsport Kendama einsteigen, ist bislang noch nicht abzusehen. Es könnte aber durchaus dazu kommen, dass es in Zukunft Duelle zwischen Mensch und Maschine gibt - so wie das ja zum Beispiel im Schach durchaus üblich ist.