Hannah: Das S steht für Sport!

 

Dieser Text ist für den Blog „Fan von DIR“ verfasst worden und wird im Rahmen einer Kooperation auch bei MUS veröffentlicht. In loser Reihenfolge könnt Ihr hier immer mal wieder passende Texte des Blogs zu unpopulären Sportarten lesen. Der Blog „Fan von DIR“ richtet den Fokus auf Frauen im Sport. Es stellen sich dort wöchentlich Sportlerinnen aus ganz Deutschland vor – von Schiedsrichterinnen über Freizeitsportlerinnen, Ehrenamtlerinnen und Frauen im Berufsfeld Sport bis hin zu Olympionikinnen. "Fan von DIR" bietet so eine Plattform, die gegen Klischees und Vorurteile im Sport kämpft und Sportlerinnen ihre Geschichte erzählen lässt.


von Hannah Wolff

Hannahs Sportgeschichte führt über 6 Sportarten und 13 Teams aus der Vergangenheit in die Gegenwart.

Hannahs Sportgeschichte führt über 6 Sportarten und 13 Teams aus der Vergangenheit in die Gegenwart.


Habt ihr schon mal vom 1. FC Ackerfeld gehört? Nein? Kein Wunder! Diesen inoffiziellen Verein habe ich in der 5. Klasse mit anderen Mädchen aus meiner Schule gegründet, um gemeinsam verschieden Sportarten, wie Fußball, Rugby und Baseball auf dem Feld hinter meiner Siedlung zu spielen. Dass das FC in den Namen berühmter Sportvereine für Fußballclub steht, war uns damals nicht bewusst. Anfangs noch sehr motiviert fanden unsere Treffen jedoch schnell immer weniger häufig statt bis sich das Unterfangen ganz im Sande verlief.

Heute spiele ich Quidditch und bin sogar für das deutsche Nationalteam nominiert. Doch bis ich dahin gekommen bin, war es ein langer Weg voller Hürden und Selbstzweifel und voller Erlebnisse in verschiedenen Sportarten, die mich alle ein Stückchen weitergebracht haben. Denn so wie das S im Namen Hannah fehlt, fehlte auch meinem Körper hin und wieder die nötige Voraussetzung, um Sport zu treiben. Obwohl Verletzungen und Krankheiten mich zurückwarfen, sollte der Sport immer Teil von mir sein. Letztendlich haben sechs unterschiedliche Sportarten und dreizehn verschiedene Teams über die Jahre meine Persönlichkeit geprägt. 

Sportliche Anfänge in der Leichtathletik

Das erste Mal so richtig Sport gemacht habe ich mit acht Jahren. Meine Eltern hatten mich zum lokalen Leichtathletikverein geschickt. Es gab dort einen gemischtgeschlechtlichen Kurs für Grundschulkinder, der mir am Anfang viel Spaß bereitet hat. Eines Tages hat sich das jedoch auf einen Schlag geändert. Ihr müsst wissen, dass ich eine Fehlhaltung der Füße habe. Genauer gesagt zeigen meine Füße bei jedem Schritt leicht nach innen. Damals relativ extrem, aber auch heute noch auffällig. An besagtem Tag sollten wir eine bestimmte Strecke sprinten. Nachdem ich fertig war und wir wieder als Gruppe zusammenstanden, meinte mein Trainer, dass ich nicht so „sexy“ rennen müsste, um „die Jungs anzumachen“. Dabei hat er meine Laufart übertrieben nachgemacht und mit Händen und Armen gewedelt „wie ein Mädchen“.

Ich habe mich so unwohl gefühlt, ich hätte heulen können. Nie wieder wollte ich zum Leichtathletiktraining gehen und bin es auch bald nicht mehr. Die folgenden Jahre habe ich damit verbracht, den Jungs bei uns im Hof beim Fußballspielen zuzugucken. Ich hätte gerne mitgemacht, habe mich aber nicht getraut zu fragen. Ich war ja schließlich „nur ein Mädchen“.

Stattdessen bin ich allein Inliner gefahren, habe mich auf dem Skateboard ausprobiert und bin Seilchen gesprungen und Stelzen gelaufen. Ich war weiterhin aktiv, aber nicht so, wie ich es eigentlich wollte. Irgendwann hat es meinen Eltern gereicht. Sie hatten gehört, dass in meinem Vorort ein Mädchenfußballteam gegründet wurde. Ich war inzwischen 11 Jahre alt, aber an meinem Selbstbewusstsein hatte sich nicht viel verändert. Schüchtern bin ich zum ersten Training gegangen und habe den Trainer erst mal gefragt, ob es auch möglich ist nur mitzutrainieren ohne richtige Spiele zu spielen. Ich hatte Angst, Schuld zu sein, wenn wir verlieren und wollte nicht verantwortlich für die Niederlage meiner Mitspielerinnen sein. Mein Trainer hat sich aber zum Glück nicht drauf eingelassen und schon bald sollte ich meine ersten Spiele absolvieren.

Harte Zeiten auf dem Fußballplatz

Die 8-jährige Hannah beim Spielen mit ihrer Schwester.

Die 8-jährige Hannah beim Spielen mit ihrer Schwester.

Wir waren grottig. Das Team war gerade erst gegründet worden. Wir hatten nicht genug Spielerinnen in den einzelnen Altersklassen, sodass wir U15 spielten, obwohl die meisten von uns erst 11 Jahre alt waren. Ich kann mich an wenige Spiele in der ersten Zeit erinnern, die wir nicht zweistellig verloren hätten. Aber gerade deshalb habe ich mich weiterentwickelt. Ich würde nicht allein schuld an einer Niederlage sein. Und so traute ich mich, auf dem Feld einfach mein Bestes zu geben. Mit der Zeit wurden wir besser. Wir haben auch mal Spiele gewonnen und es irgendwann sogar geschafft, uns die Pizza-Party zu verdienen, die mein Vater ausgelobt hatte, für den Fall, dass wir drei Spiele hintereinander nicht verlieren.

Und das, obwohl unsere Trainingsbedingungen schrecklich waren. Die erste Zeit waren wir jedes Training auf dem „Bambini-Platz“, einer kleinen, löchrigen Wiese hinter einem richtigen Ascheplatz. Nur für Heimspiele haben wir immer den einzigen richtigen Rasenplatz bekommen, der eigentlich nur von den Herren-Teams und vielleicht noch der A-Jugend bespielt wurde. Wir sollten uns ja schließlich nicht auf einem Ascheplatz die Knie aufschlagen. Wer würde uns denn dann noch heiraten wollen?

Als ich 15 Jahre alt war, wurde das Team aufgelöst. Der Verein wollte schon lange keinen Mädchenfußball mehr anbieten. Als dann immer mehr meiner Mitspielerinnen lieber Zeit mit ihrem Freund verbrachten, als auf dem Fußballplatz zu trainieren, war das Ende besiegelt. Die verbliebenen Mädchen, darunter auch ich, wechselten gemeinsam mit unserem Trainer zu einem anderen Fußballverein. Jetzt mussten viele von uns zwar sehr viel weiter zum Training fahren, dafür aber war der Frauen- und Mädchenfußball der Stolz meines neuen Vereins.

Ein weiterer Rückschlag 

So sehr ich mich auf die Zeit freute, musste ich relativ schnell einen neuen Rückschlag hinnehmen. Eine Zecke hatte mich unbemerkt gebissen und mir Borreliose beschert. Bei mir führte das dazu, dass sich in meinen Knien immer wieder Wasser sammelte. Alle Versuche wieder mit Fußball zu beginnen endeten mit geschwollenen Knien oder Verletzungen. Zwei Meniskusrisse später musste ich einsehen, dass es einfach nicht sein sollte. Ich musste meinem Körper die Möglichkeit geben diese Krankheit zu überwinden, ohne ihm weitere Verletzungen zuzufügen. Und so trieb ich fünf Jahre lang keinen Sport.

Für mich war die sportfreie Zeit eine sehr schwere. Bis dato hatte ich mich immer über den Sport definiert. Einen Großteil meiner Freund*innen sah ich vor allem beim Training und ich hatte keine weiteren ausgeprägten Hobbies. Auf der Suche nach neuen Beschäftigungen beschloss ich zunächst Gitarre spielen zu lernen. Diese Idee habe ich aber ebenso schnell wieder verworfen, wie alle weiteren Ideen. Ich war nicht unglücklich per se. Aber es fehlte doch ein sehr großer Teil von mir.

 

Im zweiten Teil dieser Mini-Serie lest ihr mit welchem Sport Hannah nach einigen Jahren ein Sportcomeback gelang und wie sie plötzlich im Fußball ganz neue Erfahrungen erleben durfte.

 
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