Ein Austauschjahr fürs Nationalteam
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Weil Emily McKie das Angebot bekam, das deutsche Footy-Nationalteam der Frauen zu trainieren, kümmerte sich die Australierin um ein Auslandssemester in Deutschland. Im Interview vergleicht sie den Nationalsport in ihrer Heimat mit dem deutschen Freizeitsport. Außerdem erklärt sie, warum sie als Trainerin mehr auf persönliche Beziehungen als auf taktische Feinheiten setzt und warum sie sportliche Parallelen zum Quidditch sieht.
Magazin des unpopulären Sports: Was begeistert dich am Australian Rules Football am meisten?
Emily McKie: Aussie Rules ist in Victoria, der Staat in dem ich wohne, sehr populär. Die Leute reden ununterbrochen darüber und es gibt eine starke Verbindung zu dem Club, den man unterstützt. Ich mag auch sehr, dass der Sport für viele Leute zugänglich ist. Es kostet nicht viel, deshalb können viele junge Leute Football spielen. Wir haben sogar einen Feiertag für das Grand Final. Am Tag davor gibt es eine Parade und die ganze Stadt ist lahmgelegt.
Du hast 2011 als Spielerin und Trainerin angefangen. Wie bist du dazu gekommen?
McKie: Ich habe Footy als Kind geliebt, ich war besessen davon. Aber ich durfte es nie spielen, weil meine Mutter diesen Sport zu hart fand. Nachdem ich die Schule nach der 10. Klasse verließ, überlegte ich eine Art Ausbildung zu machen. Ich wählte dann den einzigen AFL-Kurs, den ich finden konnte. Teil des Kurses war es, dass ich auch coachen musste und seitdem bin ich dabei. Außerdem gründete eine Freundin von mir 2011 ein Mädchenteam, und meine Mutter ließ mich dort mitspielen. Aber ich habe aufgehört zu spielen, weil ich mit 18 zu alt für das Team war und das nächstgelegene Team zu weit enfernt war.
Während deines Auslandssemesters in Leipzig hast du dich bei deutschen und europäischen Football-Clubs engagiert. Wie kam es dazu?
McKie: Ich bin Mitte 2018 nach Deutschland gereist und durch meine Arbeit mit der AFL habe ich mich mit AFL Europe in Verbindung gesetzt. Ich war schon immer daran interessiert, was mit Football in Europa passiert. Während meines Besuchs in Deutschland bin ich nach London geflogen. Während ich dort war, haben sie mir den Kontakt zu einer Person gegeben, die versucht hat, Football in Deutschland zu entwickeln und die in Hamburg wohnte. Also bin ich auch dorthin gefahren und blieb für ein paar Nächte. Dadurch habe ich mich wieder in das Spiel verliebt, denn ich war ein bisschen ausgebrannt, weil ich in Australien zu viel im Football gearbeitet hatte. Ich fragte nach dem Nationalteam und im Gespräch kam heraus, dass ich sie trainieren könnte, wenn ich die Chance hätte, zurück nach Deutschland zu kommen. Das Team hatte gerade erst angefangen und ich wusste, dass ich sie auf die nächste Stufe heben könnte. Sie sagten, wenn ich es machen will und alles organisiere, könne ich es machen. Also habe ich das zu meinem Projekt gemacht.
Deine Entscheidung, als Austauschstudentin nach Deutschland zu kommen, fiel nur wegen Australian Football?
McKie: Ja. Ich wollte auf hohem Niveau trainieren. In Australien gibt es viele Möglichkeiten für Frauen, als Trainerin zu arbeiten, aber nicht viel professionelle Entwicklung und Ausbildung. Und ich wollte nicht eine weitere weibliche Trainerin sein, die ins kalte Wasser geworfen wird, aber nicht weiß, wovon sie spricht. Ich wollte wirklich einen gewissen Ruf haben, wenn es ums Coachen ging, und ich dachte: "Was für ein junges Mädchen würde auf die andere Seite der Welt reisen und ein Footballteam trainieren?" Das war auch ein Teil meiner Entscheidungsfindung. Ich sah es als eine Möglichkeit, meine Karriere voranzutreiben, und es hat funktioniert. Als ich nach Australien zurückkam, konnte ich auf hohem Niveau arbeiten.
Was ist dein Coaching-Ansatz? Worauf konzentrierst du dich?
McKie: Ich würde sagen, dass mein Ansatz die ganze Person ist. Ich verbringe viel Zeit mit meinen Spielerinnen, um herauszufinden, was für sie wichtig ist, was ihr Lernstil ist. Ich erfahre, was sie tun, was sie in ihrer Freizeit machen, was sie studieren oder arbeiten und baue eine Beziehung auf. Ich denke, das ist im Frauenfootball oder im Frauensport generell sehr wichtig. Es geht um die Beziehung, die man aufbaut. Es gibt ein Zitat vom großartigen Alan McConnell (ehem. Footy-Spieler, Anm. d. Red.), das lautet: "Damit Männer sich im Sport zugehörig fühlen, müssen sie einfach nur Leistung bringen. Aber damit Frauen Leistung erbringen können, müssen sie zuerst das Gefühl haben, dazuzugehören." Also setze ich zuerst auf Beziehung und später auf Taktik.
Du hast sowohl das hohe Spielniveau in Australien als auch das Level der deutschen Vereine erlebt. Was ist der größte Unterschied zwischen diesen Ländern?
McKie: Das, was ich am meisten am deutschen Football liebe, ist, dass es sich wirklich wie eine Hobbyliga anfühlt. Auf den höheren Ebenen, die ich in Australien kennengelernt habe, wird es mehr zu einer Art Business und es geht weniger um die Gemeinschaft. In Europa macht man am Wochenende lange Reisen, um zu spielen und übernachtet zum Beispiel bei den Spieler*innen des gegnerischen Teams. In Australien hat man zwar mehr gemeinsame Trainingszeit, aber am Spieltag geht man nur zum Spiel und danach direkt wieder nach Hause. Ein weiterer Unterschied ist der, dass viele Aussies nach Deutschland kommen und das Spiel lieben, aber einen Trainingsstil aus den späten 90ern oder den frühen 2000er Jahren praktizieren. Das Spiel hat sich seitdem verändert, aber weil sie in dieser Ära aufgewachsen sind, trainieren sie auf diese Weise. Ich würde nicht sagen, dass es rückständig ist, sondern eher altmodisch und traditionell.
Welche Aspekte des Spiels müssen von den deutschen Teams verbessert werden, um zu den Australiern aufzuschließen? Ist das überhaupt möglich?
McKie: Eine Sache, die ich gelernt habe, als ich bei den höheren Levels dabei war, ist, dass fundamentale Fähigkeiten sehr wichtig sind. Man spielt, um zu gewinnen. Aber wenn man sich nur auf das Gewinnen konzentriert, wird nicht so viel Wert auf die Entwicklung gelegt. In Australien wird die Notwendigkeit von Grundlagen wirklich betont, aber ich habe festgestellt, dass das in Deutschland nicht so sehr der Fall ist. Wenn sie nicht wirklich ihre fundamentalen Fähigkeiten verbessern können, wird es schwer sein, zu den Australiern aufzuschließen.
Das wird ein langer Weg sein.
McKie: Die Deutschen machen das aber schon gut. Sie haben einige sehr gute Spieler*innen. Viele haben in Australien gespielt und das sieht man auch. Man merkt definitiv, welche hier gespielt haben. Allein die Art und Weise, wie sie den Ball antizipieren, wo er hingeht, wie er aufspringt, die Entscheidungen, die sie treffen. Das macht einen großen Unterschied zu denen, die nur in Deutschland gespielt haben.
Was war dein schönster Footy-Moment während deiner Zeit in Deutschland?
McKie: Wir hatten unser erstes Turnier mit dem Frauennationalteam in Schweden, das war ein Turnier mit 9er-Teams. Ich hatte nur ein einziges Trainingslager, wo ich die Spielerinnen kennengelernt habe. Alles andere habe ich online unterrichtet. Ich habe die Art und Weise, wie ich sie spielen lassen wollte, komplett verändert. Der schönste Moment für mich war also in unserem zweiten Spiel. Das erste war gegen die Iren und sie sind die Besten. Man kann die Iren nicht schlagen. Unsere Spielerinnen waren so entmutigt, als sie verloren haben, vor allem, weil sie so gespielt haben, wie ich es von ihnen wollte. Aber in unserem zweiten Spiel gegen Kroatien haben sie genau das gemacht, was ich ihnen gesagt habe, und wir haben so viele Punkte gemacht. Die Art und Weise, wie sie gespielt haben, war so clever. Für mich als Coach war es sehr befriedigend zu sehen, wie sie den neuen Spielplan umgesetzt haben und ein anderes Team regelrecht überrollt haben.
Du hast auch Erfahrung im Aufbau und der Leitung einer australischen Football-Liga. Was rätst du der deutschen Footy-Community in Sachen Wachstum?
McKie: Es ist schwer zu vergleichen, denn in Deutschland gibt es Aussies, die ins Land kommen und sich für Footy begeistern. Aber sie gehen wieder weg und es ist schwer, aus ihrer Erfahrung Kapital zu schlagen. Man muss also Deutsche ranholen, die die ganze Zeit da sind. Es kommt wirklich auf die Beziehung und die Verbindung an, die man für alle herstellen kann. Als ich mich mit einigen deutschen Spielerinnen unterhielt, stellte ich fest, dass sie an Aussie Rules am meisten schätzen, dass man nach dem Spiel mit dem gegnerischen Team zusammensitzen und ein Bier trinken kann. Alle sind einfach so freundlich. Man muss wirklich die sozialen Dinge außerhalb des Spiels betonen, nicht nur das Spiel selber. Aber dabei muss man darauf achten, dass die Deutschen weiterhin lernen, wie man kickt, wie man einen Handpass macht, die Grundlagen des Spiels eben.
Du hast in Deutschland auch Quidditch gespielt: Was haben diese Sportarten gemeinsam?
McKie: Beide machen keinen Sinn, wenn man sie zum ersten Mal sieht. (lacht) Ich denke, die Körperlichkeit. In Australien ist Quidditch sehr physisch. Und es gibt immer ein schnelles Umschalten von Offensive auf Defensive. Es gibt eine Ähnlichkeit in der Hinsicht, dass man sich schnell überlegen muss, was man macht und wohin man geht. Es ist so viel los. Ebenso in Aussie Rules, obwohl es nur einen Ball gibt.
Ist es einfacher, eine gute Quidditch-Spielerin oder eine gute Footy-Spielerin zu werden?
McKie: Es gibt zwei Möglichkeiten, das zu beantworten. Man könnte sagen, dass es einfacher ist, eine gute Quidditchspielerin zu werden, weil es nicht so populär ist und die Leute von anderen Sportarten kommen. Wenn man groß ist und einen Hintergrund in einer physischen Sportart hat, gibt es keine große Konkurrenz. Die Sache mit der guten Footy-Spielerin ist, dass es so viele Spielerinnen auf dem Feld gibt, dass nicht alle die gleichen Fähigkeiten haben müssen. Um eine gute Footballerin zu sein, muss man wirklich gut sein in dem, was man gut kann. Egal, ob man Verteidigerin, Mittelfeld- oder Außenspielerin ist. Es gibt mehrere Wege eine gute Footballerin zu sein.
Die Fragen stellte Max Martens