Wenn der Lockdown vorbei ist, sage ich: “Leute macht etwas anderes”
von Paul Haas
Vor etwas über einem Jahr wurden wir gezwungen die Art wie wir miteinander leben anzupassen oder gar neu zu erfinden. Dies betraf vor allem unpopuläre Sportarten, die bekanntlich vom Zusammenhalt der Community leben. Ob durch vermehrte Videokonferenzen, Telefonate oder Virtuelle Chatrooms: Wir wollten auf jeden Fall für die sozialen Kontakte kompensieren, die uns - auch heute noch - durch fehlende Kneipenabende, Team-Socials und Trainings verwahrt bleiben.
Vor genau einem Jahr wurde eine dieser Methoden ins Leben gerufen: Ein online Kneipenquiz für die, die mit den eigenen Mitspieler*innen mal wieder ein Gemeinschaftsgefühl heraufbeschwören wollten, ohne dabei bei einem Zoom-Fitnesstraining buchstäblich ins Schwitzen zu geraten. Was als Quiz in der Quidditch-Community für „zwischendurch“ anfing, fand schnell Anklang und lockte in Hochzeiten bis zu 15 Teams (à 6 Personen) am Abend vor die heimischen Bildschirme.
Initiiert wurde das Quiz von Ines Hartl - selber Quidditchspielerin und Team-Sprecherin bei den Bielefelder Basilisken – die neben dem Recherchieren der Fragen auch die allgemeine Organisation und Auswertung der Quiz-Runden übernimmt. Am heutigen Dienstagabend wird mit der 34. Ausgabe der erste Geburtstag des sogenannten „Quid-Quiz“ gefeiert. Aus dem Anlass hat sich MUS mit der 26-jährigen Psychologin hingesetzt um mit ihr über den Vorbereitungsprozess des Quiz und ihre neue Berühmtheit in der Quidditch-Community zu reden. Und darüber, warum das Quiz auch ihr Gemeinschaftsgefühl in Zeiten der Pandemie steigert.
MUS: Warum möchtest du eigentlich kein MUS-Starschnitt, obwohl die Quiz-Community doch danach lechzt?
INES: (lacht) Ich finde die Vorstellung richtig komisch, dass von mir so ein fettes Plakat irgendwo hängt. Also ich kann mich halbwegs damit anfreunden, wenns sein muss, dass ich über dieses Quiz irgendwie eine Rolle habe, die mich bei Leuten bekannt macht. Wenn irgendjemand sagen würde, er oder sie möchte dieses Quiz machen, da könnte ich das sofort abgeben und mich völlig in den Untergrund zurückziehen. Also ich will nicht berühmt sein und ein Starschnitt ist echt eine unheimliche Vorstellung.
MUS: Hattest du denn gedacht, dass das Quiz diese Popularität erlangen wird, die es heute hat?
INES: Nee, überhaupt nicht. Ich kann doch überhaupt nicht einschätzen, wie populär das ist. Ich weiß, dass es Leute gibt, die voll darauf hin fiebern, jede Woche. Und ich weiß, dass es Teams gibt, die sich immer mega bedanken vor dem Quiz und nach dem Quiz und dazwischen. Aber ich hab gar keine Ahnung, wie populär das tatsächlich ist. Und ich weiß auch gar nicht ganz genau, wie viele Menschen ich erreiche. Wie viele Leute da gleich dabei sind oder wie viel das wechselt. Ich habe keine Ahnung.
MUS: Aber es kommen pro Woche ca. 50 – 90 Leute zu dem Quiz. Das ist jetzt nicht gerade unpopulär.
INES: Manchmal denke ich darüber nach. Aber ich finde es ein bisschen unheimlich. So ein bisschen bin ich auch geschmeichelt. Aber ein anderer Teil von mir denkt auch, dass ich dann halt auf einmal total viel Macht habe. Ich überlege mir vorher nicht, was ich zu den Fragen sage. Alles was mir rausrutscht, wird dann, von wer weiß wie vielen Leuten, die ich überwiegend gar nicht kenne, gehört und könnte irgendwie in einen falschen Zusammenhang gerückt werden. Keine Ahnung. Das ist schon komisch.
MUS: Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, ein Online Kneipen Quiz aufzuziehen?
INES: Ich bin in Bielefeld in der Jugendarbeit aktiv, in der Evangelischen Jugend, und von denen habe ich die Idee schamlos genauso geklaut - mit deren Wissen. Die haben das auch über Discord aufgezogen und waren zwei Wochen früher dran. Gerade als Lockdown war, haben wir das gemacht. Ich habe eigentlich alles genauso gemacht wie die, nur die Anzahl der Fragen habe ich verändert, weil ich 10 pro Runde einfach runder finde. Dann hab ich jede Woche ein Quiz durchgezogen.
MUS: Viele nutzen das Quiz auch als Trainingsersatz, was die sozialen Kontakte und das Gemeinschaftsgefühl angeht. Trifft das auch auf dich zu, obwohl du gar nicht wirklich in einem Team am Quiz teilnimmst?
INES: Ein bisschen. Also es ist auf jeden Fall Trainingsersatz, weil mir das die Woche strukturiert. Es ist aber eher Turnier Ersatz, weil ich halt Leute aus Teams kennenlerne, mit denen ich vorher noch nie was zu tun hatte.
MUS: Meinst du, dass das Quiz quasi als Ersatz-Wettbewerb dient und so die Quidditch Community ein bisschen zusammenhält?
INES: Ja, das hoffe ich schon ein bisschen. Und für mich selber merke ich auch, dass ich mich voll darauf freue, demnächst irgendwann wieder Teams sehen zu können und Leute, die ich dann neu kennengelernt habe.
MUS: Hattest du vorher schon Erfahrungen mit der Organisation solcher Quiz?
INES: Ich habe das schon ab und an mal gemacht, über die Jugendarbeit. Irgendwelche größeren Events, Spieleabende für Kinder oder Jugendliche organisiert, aber immer live sozusagen.
MUS: Live ist es bestimmt nochmal eine andere Sache, was auch die Schummelprävention angeht. Da diese Quiz online stattfindet, kann man nicht nachvollziehen, ob irgendein Team die Fragen googelt. Wie sehr glaubst du, dass sich die Teams an diesen “Ehrenkodex” des Quiz halten?
INES: Das hab ich mir schon öfter selber gefragt. Ich glaube, dass sich so gut wie alle daran halten. Ich habe einmal eine Google-Falle gestellt. Also ich habe eine Frage gestellt, die man nicht wissen konnte, aber durch Google beantworten und die beiden Teams dies richtig geraten haben, was auch möglich war, hatten insgesamt relativ wenig Punkte, sodass das klar war, die haben nicht alles gegooglet. Daran, dass die Teams relativ konstante Leistungen haben, glaube ich festmachen zu können, dass Viele dann auch tatsächlich viele Dinge wissen.
MUS: Oder sie haben von anfang an gegoogelt.
INES: Kontrollieren kann man es natürlich überhaupt nicht. Es kann ja auch sein, dass es gar nicht das ganze Team ist, welches googelt, sondern dass eine Einzelperson im Team googelt. Und ich kann natürlich auch nicht kontrollieren, ob man einen Einstein als Mitbewohner hat, der dann immer noch gefragt wird. Also auch die Team-Größe ist nicht wirklich zu kontrollieren. Das ist dann so. Es geht um nichts und wer googelt, nimmt sich selber den Spaß, finde ich. Ich habe auch keine Lust mich darum zu kümmern und das zu kontrollieren.
MUS: Wie viele Stunden Vorbereitung steckst du in ein Quiz wöchentlich?
INES: Das kommt voll drauf an. Es gibt ja die Wunschkategorie, wo die einfache Mehrheit darüber entscheidet, was für 10 Fragen über irgendeine bestimmte Kategorie gestellt werden. Je nachdem wie sehr ich mich damit auskenne, dauert es länger oder kürzer. Also dadurch, dass ich kaum Serien kenne, hat “Brooklyn 99” zum Beispiel extrem lange gedauert, weil ich mich erst einmal darin einarbeiten musste.
MUS: Was war die längste Zeit, die du für eine Vorbereitung aufgewendet hast?
INES: Fünf, sechs Stunden kann es schon dauern. Also so über die Woche verteilt, manchmal.
MUS: Vor welcher potentiellen Wunschkategorie bangt es dir am Meisten?
INES: Game of Thrones glaube ich.
MUS: Hoffen wir mal, dass wir nichts Losgetreten haben.
INES: Ja, ich würde mich da auch reinarbeiten. Also, noch viel schlimmer kann es jetzt nicht mehr kommen. Ich bin was Serien angeht, langsam abgehärtet.
MUS: Was war deine bisherige Lieblingskategorie?
INES: Ich glaube das Thema “berühmte Frauen in der Geschichte” fand ich ganz schön. Einmal gibt's da super viele interessante Fragen zu, da kann man alles Mögliche auswählen. Das hat mir nochmal sehr den Blick dafür geöffnet, dass ich wirklich viele Fragen über Männer und was Männer so vollbracht haben gemacht habe. Das ist ein bisschen traurig.
MUS: Neben den regulären Quiz hast du ja auch immer mal wieder besondere Veranstaltungen, wie ein Weihnachts-Special oder ein Valentinstag-Speed-Dating organisiert. Was kommt in Zukunft auf die Teilnehmer*innen zu? Du hattest auch bei einem der letzten Male angeteasert, dass es ein Oster-Special geben wird.
INES: Ja, genau. Ich denke noch darüber nach, wie das Oster Special so konkret aussehen könnte. Es könnte sein, dass es tatsächlich mit physischem Verstecken von Dingen in der eigenen Wohnung zu tun haben könnte. Einfach damit man auch mal ein bisschen aufstehen muss.
MUS: Wir sind vorhin kurz auf deine neue Popularität zu sprechen gekommen. Bist du dir bewusst, dass du in der Quidditch-Szene jetzt sozusagen ein Promi bist und auf Turnieren spätestens wenn du deinen Namen sagst, erkannt wirst als “die Ines”?
INES: (lacht) Es gab schon Andeutungen. Also ich habe schon Nachrichten gekriegt wie: “Bei der nächsten DM gebe ich dir auf jeden Fall ein Bier aus.”, bis hin zu: ”Wenn dir alle ein Bier ausgeben, die dich jetzt kennen, bist du völlig besoffen”. Das also schon. Aber ich weiß nicht, wie gesagt, ich kann das super schlecht einschätzen, wie viele Leute mich dann kennen und ich glaube, das wird richtig creepy, weil ich von vielen nicht mal weiß, wie sie aussehen.
MUS: Meinst du die die Google anfragen nach “Ines Basilisken” ist im letzten Jahr gestiegen?
INES: Ich glaube nicht. Ich glaube die meisten Leute fragen einfach direkt. Das ist etwas, was ich im Quiz immer mal wieder sage. Ich finde es auch ganz cool, von Leuten privat angeschrieben zu werden und Kontakt aufzunehmen, damit man aus diesem asymmetrischen Verhältnis herauskommt. Ich erzähl den Leuten einmal die Woche irgendwas, aber ich krieg kaum irgendwas zurück, außer zehn Antworten und vielleicht mal ein “Hey, guten Abend.” und “Dankeschön.”. Ich finde es ganz schön, wenn man da privat in Kontakt treten kann. Ich glaube mich googeln, da passiert nicht viel.
MUS: Man ist manchmal überrascht, was man da findet.
INES: Ich mache das wirklich gelegentlich. Also, ein bisschen wegen meines beruflichen Hintergrunds, weil ich gerne steuern möchte, was man über mich im Internet findet. Wenn man irgendwann mal zu mir als Therapeutin geht, ist es vielleicht uncool, je nachdem, was man da so im Internet findet. Mir ist auch ganz gelegen daran, dass ich nichts poste, wo man mich sofort mit finden kann, damit nicht irgendwann ein unzufriedener Patient vor der Tür steht.
MUS: Du hattest in einer der letzten Ausgaben gesagt, dass es keine 50. geben wird und dass nach der 49. Schluss ist, “Denn da muss der Lockdown vorbei sein.” Wird das Kneipenquiz nach den Lockdown-Regulierungen also eingestellt?
INES: Im Sommer gab es ja schon weniger Lockdown als jetzt. Wenn man jetzt auf den Sommer zurückblickt, gab es quasi gar keinen Lockdown. Wir wussten nur noch nicht, wie gut es uns ging. Aber da hat das Interesse an dem Quiz rapide abgenommen. Es gab echt wenig Teilnehmer, obwohl es nur noch alle vier bis sechs Wochen stattgefunden hat. Es gab halt ein paar Teams, die voll hyped waren und es unbedingt weitermachen wollten, aber für weniger als fünf Teams lohnt sich die Quizvorbereitung nicht. Eigentlich möchte ich, dass Leute, wenn sie können, ihre Zeit woanders verbringen als vom Bildschirm. Ich kann mir schon vorstellen, irgendwie ein Live-Event oder MAL an einem kalten Herbstabend ein Online-Quiz zu machen, wenn man alles andere wieder tun darf. Aber wenn der Lockdown vorbei ist sage ich ganz klar: “Leute macht irgendwas anderes.”
MUS: Käme ein Live-Quiz als DM-Social in Frage?
INES: Oh ja. Kann mir schon vorstellen.
MUS: Können beim Quiz eigentlich auch andere Mannschaften mitmachen oder ist das Ganze eine Quidditch internes Event?
INES: Nein. Es gibt genug Teams, die gar nichts mit Quidditch zu tun haben. Es wäre mega cool, wenn irgendwelche anderen Leute aus anderen Sportarten kommen würde. Ein Team, was mit Jugger/Spikeball verbunden ist, ist auch schon dabei.
Wenn auch ihr beim Online Kneipen Quiz mitmachen wollt, folgt einfach diesem Link zu dem Discord-Server der “Klatscher Klause” und meldet euer Team an. Im Chat-Kanal #anleitung steht wie es geht. Das Quiz findet jeden Dienstag um 20:00 statt (Änderungen vorbehalten).