Wie das Roundnet-Baby laufen lernte
Dieser Text ist Teil der Artikelreihe “Gründungsgeneration”. Dort sprechen wir mit Menschen, die von Anfang an Teil ihres Sports sind und diesen mit aufgebaut haben. Weitere Artikel dazu findest du hier: Gründungsgeneration.
von Max Martens
Der Moment, in dem man seinen zukünftigen Partner kennenlernt, ist einem oft gar nicht bewusst. Schließlich sind wir nicht Dr. Strange und können in die Zukunft schauen. Normalsterblich erging es auch Nils Grimm, als er am ersten Tag der Einführungswoche an der Sporthochschule Köln Lukas Schmandra kennenlernte, der dort als Betreuer dabei war. Was nach einer Love-Story klingt, ist es in gewisser Weise auch. Grimm und Schmandra bekamen ein gemeinsames “Kind”. Es heißt Roundnet Germany.
Doch es war keine Liebe auf den ersten Blick, denn zu einem richtigen Kennenlernen kam es erst später. Im Sommer 2016 sah Grimm zum ersten Mal Leute, die Roundnet spielten. Nachdem er sich über diese neue Sportart informierte, kaufte er sich direkt ein Roundnet-Set. “Das hat Bock gemacht”, erinnert er sich an die Anfänge im Park. Nur ein paar Monate später, genauer gesagt am 9. September 2016, gründeten acht Student*innen der Sporthochschule den 1. Spikeball-Club Köln. Dessen 1. Vorsitzender ist seit jeher Lukas Schmandra.
Statt Europa nur Deutschland
Nur einen Tag nach der Gründung richtete der frisch geschlüpfte Verein sein erstes Turnier aus: die 1. Kölner Spikeball Open. Mit dabei war Nils Grimm, der so sein erstes Turnier erleben durfte. Kurzer Blick in die Zukunft: drei Jahre später gewinnt Grimm mit seinem Teamkollegen Moritz Wiedmann als “Block’n Roll” die erste Deutsche Meisterschaft.
Dazwischen ist viel passiert. Denn dass dieses Turnier mit über 60 Teams stattfinden konnte und gleich in drei Kategorien (Damen, Mixed und Herren) die Deutschen Meister ermittelt wurden, ist zu großen Teilen Grimm und Schmandra zu verdanken.
Wir springen wieder zurück in das letzte Quartal des Jahres 2016. Über den Kölner Club und den Roundnet-Sportkurs an der Hochschule lernen sich die beiden späteren Gründer immer besser kennen. Da Schmandra stets viel organisierte und Grimm auch Lust darauf hatte, “hat sich das so entwickelt, dass wir beide immer bei Turnierorganisationen dabei waren”, erklärt Grimm. Mit der Zeit kam der Wunsch auf, das Ganze größer aufzuziehen. Heißt: europaweit! Auf dem ganzen Kontinent gab es damals nur an die 500 aktive Spieler*innen, ein Fünftel davon in Deutschland. Den Plan durchkreuzte jedoch die European Spikeball Roundnet Association (EUSRA), bei deren Gründungstreffen Grimm ebenfalls anwesend war. “Wir waren uns dann nicht sicher, ob es in Deutschland mit so wenigen Leuten hinhaut”, sagt Grimm. Aber nachdem sich die Größe der Community gut entwickelte, entschieden sie sich doch für eine nationale Organisation.
Summer of ‘18 als Startpunkt
Im Sommer 2018 nahm die Sache an Fahrt auf. Wie am Anfang jeder Beziehung weiß man nicht genau, wie lange sie halten wird. Grimm und Schmandras Partnerschaft startete auf jeden Fall intensiv. Sie nutzten ihre freie Zeit als Studenten und trafen sich monatelang täglich, um Konzepte für ihre Organisation zu entwickeln. Um aus der Quelle an Ideen rechtlich legal einen Zahlungsfluss machen zu dürfen, entschlossen die beiden ihrem Vorhaben einen offiziellen Anstrich zu verpassen. Sie gründeten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, die Grimm & Schmandra GbR, quasi ein Ehevertrag. “Das war zu dem Zeitpunkt der beste Weg”, erläutert Grimm diesen Schritt. “Der Sport hat sich damals gar nicht so richtig in dem deutschen Sportsystem wiedergefunden und die Leute fanden es geil, dass es Community basiert ist. Es passte besser zu dem Zeitgeist”, fährt er fort. Im Rahmen der GbR konnten die zwei Sportstudenten freier und flexibler agieren, als es im Falle einer Vereins- bzw. Verbandsgründung möglich gewesen wäre.
Die ersten Ziele waren eine eigene Website aufzubauen und ein deutschlandweites Ranking zu implementieren. “Was nach außen vielleicht einfach aussieht, ist doch richtige Arbeit”, erklärt Grimm. Für das Ranking musste erst ein passendes System gefunden werden, um es richtig zu programmieren. Ohne nötige Expertise wurden diese technischen Arbeiten zur Herausforderung für die Gründer. Sportliche Entscheidungen, wie das reine Spielsystem oder die Punktevergabe, kamen dank der Erfahrung aus dem Studium und der Vereinsarbeit beim 1. Spikeball-Club Köln leichter von der Hand. In dieser Zeit entstanden viele Konzepte, aus denen letztendlich die German Roundnet Tour, die offizielle Turnierserie von Roundnet Germany, die Deutsche Meisterschaft oder Hochschulmeisterschaften entstanden sind. Auch die Winterliga, die Ende 2019 ihre Premierensaison feierte, findet ihren Ursprung in diesen Entwürfen.
Aus großen Zielen folgt große Verantwortung
Zwei Jahre gibt es Roundnet Germany jetzt und das Kind lernt richtig laufen. Und wachsen soll es auch noch. Denn wenn es einmal groß ist, soll es Teil des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) werden. So zumindest der Wunsch der beiden Eltern. “Das ist für alle Sportarten in Deutschland, die sich als Wettkampfsport sehen, das Ziel”, erklärt Grimm seine Sicht. Ihm ist aber auch bewusst, dass viele an diesem großen Schritt scheitern. Schließlich braucht es unter anderem mindestens 10.000 Mitglieder, um in den DOSB aufgenommen zu werden. Bei Roundnet Germany sind es aktuell 500 bis 1.000, also knapp ein Zehntel der erforderlichen Anzahl. Die Dunkelziffer der Spaßspieler*innen sei zwar sehr groß, sagt Grimm, doch bei den Turnieren schlagen immer die gleichen Spieler*innen auf. Eines der aktuellen Ziele von Roundnet Germany ist es deshalb die Freizeitsportler mehr zu erreichen. Ein möglicher Weg wäre eine Struktur, die nicht nur auf Wettkampf setzt, sondern auch vermehrt auf das freie Gemeinschaftsgefühl eingeht. Schließlich soll bei allem Ehrgeiz der Spaß nicht verloren gehen.
“Wir haben viele schöne Erfahrungen gemacht”, sagt Grimm, “Die Community immer wieder auf den Turnieren zu treffen und betreuen zu dürfen, macht schon sehr viel Spaß!” Doch je mehr man in der Organisation tätig ist, desto weniger kommt man zum Spielen. Zeitweise waren die zwei Gründer 60 bis 70 Stunden in der Woche mit ihrem Baby beschäftigt und am Wochenende ging es auch noch zu Turnieren in ganz Deutschland. So kamen in weniger als drei Monaten ca. 20.000 gefahrene Kilometer zusammen. Glücklicherweise erhielten Grimm und Schmandra kurz nach der Gründung durch einen guten Freund die Möglichkeit eine Partnerschaft mit einem Autohaus einzugehen. So fiel die Deutschlandtour dank des bereitgestellten Autos relativ kostengünstig aus. Außerdem war bei den Turnieren eine Vermögensberatung als Hauptsponsor dabei, die das junge Unternehmen unterstützte. Als solches ist Roundnet Germany auf Sponsoren angewiesen und “nur weil es am Anfang mal geklappt hat, heißt es nicht, dass es so weitergeht”, gesteht Grimm und bilanziert, “dieses Jahr sieht es schlecht aus”.
Mit Verstärkung in die Zukunft
Um die gestiegene Menge an Arbeit und die wirtschaftlichen Anforderungen bewältigen zu können, haben sich Grimm und Schmandra dieses Jahr Verstärkung ins Team geholt. Mit Clemens von Hänisch, Marcel Halle und Philipp Kessel sind seit Februar drei Freunde aus dem Kölner Club Teil der Roundnet Germany-Familie. Was einerseits immense Verstärkung bedeutet, ist andererseits eine neue Kostenstelle in der Buchführung. Die drei Neulinge sind in der GbR angestellt und müssen wie jede*r Angestellte wenigstens mit Mindestlohn bezahlt werden. Für ein hauptberufliches Verhältnis reicht es allerdings noch nicht. Die beiden Gründer und Geschäftsführer haben bisher keinen Cent, den sie in ihr Unternehmen gesteckt haben, wiedergesehen. Die finanziellen Mittel, die den Weg zur GbR fanden, wurden bislang umgehend in die Weiterentwicklung gesteckt. Doch irgendwann davon leben zu können gilt weiterhin als das “ultimative Ziel”. Vielleicht ist die Partnerschaft Grimm & Schmandra tatsächlich eine auf Dauer.
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