UWR: An Rhein und Ruhr erfunden, in Kolumbien erfolgreich

 

von Hannah Wolff

Was ein Ball sieht, wenn er gerade in den Korb geworfen wurde. (Foto: Russel Charters)

Was ein Ball sieht, wenn er gerade in den Korb geworfen wurde.
(Foto: Russel Charters)


“Ob sich dieses Spiel durchsetzt?”, fragte die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) am 5. Oktober 1964 in einem Bericht über eine ungewöhnliche Sportart. Anlass war das wohl erste Unterwasserrugby-Spiel der Geschichte, welches am Vortag im Gruga-Bad in Essen stattgefunden hatte. Wie genau es zu dieser Spielidee kam, können selbst aktive Spieler*innen schon lange nicht mehr nachvollziehen. So schreibt Reinhard Schottmüller, der seinem Sport 2002 ein ganzes Buch mit dem Titel “Unterwasser-Rugby” gewidmet hat, dass die Geschichten vom Konditionstraining französischer oder amerikanischer Kampfschwimmer bis zu Kokosnüssen aus Kenia reichen.  

Fakt ist: Bereits 1961 führte Ludwig von Bersuda, Mitglied des Tauchclubs DUC Köln, im Tauchtraining ein Spiel mit Ball unter Wasser ein, aus welchem sich Unterwasserrugby entwickeln sollte. Der langjährige Ehrenpräsident des Tauchsportverbands NRW, Rudi Wiesner, hielt dies 1994 in einem Artikel für das Magazin “Sporttaucher” fest.  Bersuda füllte demnach zunächst einen Fußball mit Salzwasser und erhöhte so die Dichte des Balls. Dieser sank somit langsam im Wasser zu Boden statt an der Oberfläche zu schwimmen. Auch andere Vereine übernahmen das Training mit Bällen im Wasser. Sowohl die verwendeten Bälle als auch die Spielformen unterschieden sich. Da sich Fußbälle als unpraktisch erwiesen, wurden alternativ gefüllte Plastikbälle, Handbälle oder Wasserbälle verwendet. Einige Vereine spannten ein Netz unter Wasser quer durch das Schwimmbecken. Einige nutzen Eimer, in die der Ball hineingelegt werden musste. Andere spielten stattdessen mit Torbereichen an der Beckenwand. 

Bis dato war das Spiel mit dem Ball lediglich ein Zeitvertreib im Tauchtraining. Doch nach und nach entstand beim Zahnarzt Dr. Franz Josef Grimmeisen vom Tauchclub DUC Duisburg die Idee daraus einen Wettkampfsport zu entwickeln. So organisierte er 1964 das, bereits erwähnte, erste Unterwasserrugby-Spiel der Geschichte zwischen dem DUC Duisburg und dem DLRG Mühlheim. Unterwasserrugby war geboren. Doch würde der Sport auch überleben?

Grimmeisen setzte alles daran, den Sport weiter zu verbreiten. Es entstanden erste Regelwerke und 1966 organisierte der Zahnarzt erstmals das bis heute älteste Unterwasserrugbyturnier der Welt. Sechs Vereine aus Nordrhein-Westfalen nahmen am Wettkampf um den “Goldenen Ball” teil. In den Folgejahren fanden Demonstrationsspiele im europäischen Ausland statt. Besonders in den skandinavischen Länder stieß der Sport dabei auf Begeisterung. 

Tauchclubs entwickeln Unterwasserspiele

Diese Begeisterung für Unterwassersport in der Mitte des 20. Jahrhunderts hat auch mit dem technischen Fortschritt zu tun. Die Entwicklung des Unterwasser-Atemreglers “Aqualung” in den 1940er Jahren führte zu einer Verbreitung von Tauchclubs in den 1950er und 1960er Jahren. Immer mehr Menschen verbrachten ihre Freizeit unter Wasser und suchten abwechslungsreiche Trainingsmethoden. So entwickelte sich 1954 in England unter diesen Umständen zum Beispiel auch Unterwasserhockey.

Lange Zeit gab es für die verschiedenen Unterwasserspiele keine einheitlichen Regeln. Über den internationalen Tauchsportverband CMAS wurde 1977 ein Meeting zwischen mehreren Nationen organisiert, mit dem Ziel ein Regelwerk zu entwickeln. Während Großbritannien, die Niederland, Italien und Südafrika mit Schlägern spielten und somit das Unterkomitee Unterwasserhockey bildeten, gründeten die Bundesrepublik Deutschland und die skandinavischen Länder das Komitee für Unterwasserrugby. 

Dann ging alles ganz schnell. Die CMAS erkannte Unterwasserrugby 1978 als Wettkampfsport an und schon im gleichen Jahr fand die erste Europameisterschaft statt. Nur zwei Jahre später folgt eine Weltmeisterschaft. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten hat sich der Sport immer mehr etabliert. Bis heute wurden zahlreiche weitere Welt- und Europameisterschaften gespielt und die deutschen Nationalteams haben zahlreiche Erfolge gefeiert. 

Während die deutschen Herren schon das ein odere andere Mal Europameister wurden, fehlt bislang der ganz große Wurf bei einer Weltmeisterschaft. Dort reichte es bislang höchstens für die Silbermedaille. Anders sieht das jedoch bei den Damen aus. Die deutsche Auswahl stand bislang bei jeder WM auf dem Treppchen und kann sich dreifacher Weltmeister nennen. 

Neben den skandinavischen Ländern, in denen Unterwasserrugby schnell Fuß fasste, ist heute besonders der amtierende Weltmeister Kolumbien ein starker Gegner für die deutschen Teams. Das liegt laut dem Göttinger Unterwasserrugbyspieler Hannes Treiber an einem kolumbianischen Spion, der in Schweden sein Wissen erweitert hat (mehr dazu in unserer Podcastfolge OhrenMUS: Unterwasserrugby). Nun ist das südamerikanische Land in der Weltspitze angelangt. Ein gigantischer Erfolg für die Kolumbianer. Denn dass Unterwasserrugby überhaupt jemals in Kolumbien gespielt würde, hätte die WAZ 1964 sicherlich nicht gedacht. Das Spiel hat sich durchgesetzt. Nicht nur in Deutschland.


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