Corona: Roundnet wird zum E-Sport
von Max Martens
Die Zeit des Social Distancing birgt die Chancen, sich an ausgefallene Ideen heranzuwagen und diesevoranzutreiben. Vergangenes Wochenende gab es etwas, das Deutschland noch nicht gesehen hat. Zum ersten Mal wurde ein virtuelles Roundnet Turnier veranstaltet, organisiert von Roundnet Germany und dem 1. Roundnetclub Opladen (RCO) aus Leverkusen. Genauer gesagt von Philipp Kessel, Projektmanagement und Onlinemarketing bei Roundnet Germany und Martin Lang, Spieler vom RCO und begnadeter Programmierer.
So hatte Lang schon zu Anfang der Isolations-Zeit die “Schnapsidee” zu dem virtuellen Turnier. Auf dem Prinzip von Schere-Stein-Papier basierend sollten sich die Spieler*innen online in ihren Roundnet-Künsten messen. Als Lang die Idee an Roundnet Germany herantrug, war die Begeisterung groß. “Wir dachten direkt ‘Lass uns das machen!’”, berichtet Philipp Kessel am Telefon aus dem Home-Office. Ab sofort kümmerten sich Kessel und Lang intensiv um den Aufbau des “#SpikeAtHome Virtual Roundnet Cup”. Lang hatte als Programmierer bereits die Plattform “Playerzone”, ein Portal für die Roundnet-Spieler*innen in Deutschland, aufgebaut. Dort sollte auch das virtuelle Turnier stattfinden.
Kessel arbeitete derweil am Front-End, also daran, was die Nutzer*innen am Ende auf ihren Bildschirmen sehen sollten. Das beinhaltete unter anderem die passenden Grafiken zu den Roundnet-Aktionen zu erstellen. Im Angriff gab es den “Smash”, den “Tweener” und den “Dropshot”. In der Verteidigung konnte man dem einen “Body Block”, einen “Long Chase” oder einen “Dive” entgegensetzen. Mit der Zeit kamen den beiden immer weitere Ideen in den Sinn, wie zum Beispiel eine Live-Chat-Funktion, die Lang in seinen Code implementierte. “Irgendwann muss ich Martin eine Statue bauen”, lobt Kessel seinen Mitstreiter. Innerhalb von zehn Tagen war das virtuelle Turnier fertig gebaut und bereit für seine Premiere.
Weitere Informationen zur Sportart findest du hier: Roundnet. Dort erfährst du woher der Sport kommt, wie die Regeln sind und alles Aktuelle rund um Roundnet.
Zu viele Nutzer bringen Server zum kollabieren
Der Virtual Roundnet Cup wurde für den letzten Sonntag im März angekündigt. Der Hype war groß, schließlich dürstete es die Roundnet-Community nach einem Turnier. Die 64 Startplätze waren schnell vergriffen. Dank Social Media erfuhren auch Teams außerhalb der deutschen Grenzen von dem Vorhaben. Insgesamt nahmen Personen aus 14 Länder teil, darunter sogar aus den USA und Panama. Auch ein MUS-Team war vertreten: Hannah und Max waren als “Was MUS, das MUS!” mit von der Partie und streamten live bei Instagram.
Doch auf die großen Freude folgte Ernüchterung. Die Masse der gleichzeitigen Zugriffe brachte den Server schnell an das Maximum seiner Kapazitäten und statt Tweener, Long Chase oder Body Block sahen die Spieler*innen nur Fehlermeldungen. “Wir hatten schon damit gerechnet, dass es Probleme geben könnte”, sagt Kessel, “doch dass es direkt nach ein paar Minuten abschmiert, hatten wir nicht gedacht”. Während Programmierer Lang im Hintergrund noch versuchte, das beste herauszuholen, wurde immer deutlicher, dass das Turnier abgebrochen werden musste.
Schweren Herzens verkündete Roundnet Germany auf Instagram das vorzeitige Ende der Premiere. Aber nicht ohne Besserung zu geloben und einen zweiten Versuch zu versprechen. “Die Idee es nochmal zu machen war direkt da”, erklärt Kessel. Gleich am nächsten Tag ging es wieder an die Arbeit. Die Leistung des Servers wurde aufgestockt und die Grafiken reduziert. Nach weiteren kleinen und größeren Tests, wo auch das MUS-Team wieder dabei war, wurde der zweite Versuch für nur eine Woche später angesetzt.
Kleine Turniere, aber großer Spaß
Um die Zugriffe auf die Website zu beschränken, entschied man sich, zwei 32er Turniere statt einem 64er Turnier zu machen. Nach Feedback aus anderen Zeitzonen der Welt wurde auch die Startzeit nochmal angepasst. Hannah und Max vom MUS-Team waren Teil des frühen Turniers, das dieses Mal nicht ausgebucht war. Nur 16 der 32 Startplätze waren vergeben. In vier Gruppen á vier Teams wurde eine Vorrunde gespielt. Um zu gewinnen reichte es, einen Satz bis 10 Punkte für sich zu entscheiden. Bei einem Stand von 10-10 ging es solange weiter bis ein Team die Führung für sich verbuchen konnte. Mit drei sehr knappen Siegen spielte “Was MUS, das MUS!” eine perfekte Gruppenphase und sicherte sich den ersten Platz der Gruppe A. Highlight war dabei ein 11-9 Sieg gegen die amtierenden realen Europameister “RCG Dio Knedl” aus Österreich. Das MUS-Team war aber nicht das einzige, dass perfekt gestartet war. “So Foehn” aus Frankreich und “Redbacks” aus Australien gewannen ebenfalls alle ihre Vorrundenspiele.
Da es nur 16 Teams gab, kamen alle in das Achtelfinale, wo die Begegnungen nach einer Setzliste ermittelt wurden. Die zu erzielende Punktzahl wurde auf 12 aufgestockt. Nun als Favorit geltend, zitterten die Finger von Hannah und Max zu sehr und sie verloren ihre Partie 8-12 gegen den “RCB Gipfel und Zipfel” aus Bern. Das MUS war ausgeschieden, aber dank der guten Übersicht und der Ticker-Funktion konnte man weiterhin die anderen Spiele verfolgen. Nahezu in jedem Spiel war es spannend bis zum Schluss und die schwach gestarteten Europameister Dio Knedl konnten sich bis in das Finale vorkämpfen. Doch der historische Erfolg wurde ihnen verwehrt und der Sieg des ersten (funktionierenden) virtuellen Roundnet-Turniers ging nach nur acht Runden mit 13-10 an das Stuttgarter Team “Netzwerkeffekt”. Den dritten Platz schnappten sich “Mickey & Mouse” vom 1. Spikeball-Club Köln. In einem hochspannenden Spiel besiegten sie “Schnick,Schnack,Cut” aus Gießen mit 16-15.
Große Emotionen und packende Duelle im Abendturnier
Das zweite Turnier des Tages war komplett ausgebucht. 32 Teams versuchten ihr Glück (oder ihr strategisches Können) im Roundnet-Schick-Schnack-Schnuck. Nach den positiven Erfahrungen des ersten Turniers wurden hier die Spiele direkt bis 12 gespielt. Der Druck war von Anfang an da, denn dieses Mal qualifizierten sich nur die zwei besten Teams jeder Gruppe für das Achtelfinale. Auch hier gelang es drei Duos eine perfekte Vorrunde zu spielen. “DICK & DOOF” aus Hildesheim, “Schäl sick cheetahs” vom RCO und die “Allgäuer Kässpatzen” aus Köln. Den Erstgenannten erteilte das gleiche Schicksal wie das MUS-Team. Schon im Achtelfinale mussten sie sich mit 6-13 den späteren Finalisten “Turn and Burn” aus Dortmund geschlagen geben. Die zwei anderen perfekten Vorrundenteams trafen im Viertelfinale aufeinander. Die Kässpatzen klickten erfolgreicher und erreichten nach neun Runden mit einem 12-10 Erfolg gegen die Cheetahs das Halbfinale. Oder um es mit den Teamnamen auszudrücken: Speise schlägt Tier.
Was es sonst noch für tolle Teamnamen im Roundnet gibt, erzählt Max in unserer Kolumne: Über Waschbären und kulinarischen Köstlichkeiten.
In der Vorschlussrunde kam es dann zu einem Kölner Gigantenduell: Das “Allgäuer-Duo” aus Herren-Vize-Europameister Clemens von Hänisch und Damen-Europameisterin Johanna Schumann traf auf die Mixed-Europameister “Nelly Nosebreakers” Tobias Linnenweber und Merle Reitz. Von Hänisch und Linnenweber sind außerdem Teamkollegen bei “Whacka-TaC”.
In einem hochklassigen Spiel erklickten sich die Nosebreakers zunächst einen 9-6 Vorsprung. Doch Schumann und von Hänisch kämpften sich langsam zurück. Der Live-Chat war am Glühen und es kam tatsächlich zu einem 12-12 Unentschieden. In der zehnten Runde besiegelte schließlich ein doppelter Dropshot der Kässpatzen das Aus der Nosebreakers. Mit 14-12 gewann Köln gegen Köln. Der Jubel war groß, wie man in der Instagram-Story von Roundnet Germany verfolgen konnte.
Erfolgreicher Abschluss und der Start von etwas Neuem
Im Finale kam es dann zum Aufeinandertreffen zweier Teams, die sich auch schon in der Gruppenphase begegneten. Dort kam es zu einem knappen 12-10 Sieg der “Allgäuer Kässpatzen” gegen “Turn and Burn”. Das Finale verlief allerdings nicht so knapp. Nur in der ersten Runde holten die Kässpatzen weniger Punkte als ihre Kontrahenten und feierten nach außerordentlich gut gespielten sieben Runden, in denen sie fast immer doppelt punkteten, einen 12-8 Erfolg. Somit sind sie das einzige Team in der virtuellen Turniergeschichte, das noch ungeschlagen ist. Sieben Siege am Stück lassen sich durchaus sehen. Der dritte Platz ging derweil an die “Nelly Nosebreakers”, die somit den dritten von insgesamt sechs Treppchenplätzen für den Spikeball-Club Köln sicherten. Auch im virtuellen scheinen die Kölner das Maß aller Dinge zu sein.
Alles in allem verliefen die zwei Turniere reibungslos. Nur kleine Ungenauigkeiten störten kurz den Ablauf, wurden aber von Martin Lang schnell behoben. Das Fazit fällt also sehr positiv aus. “Es war eine sehr coole Idee und wir sind froh, dass es so gut aufgenommen wurde”, schwärmt Philipp Kessel von Roundnet Germany. Kessel und Lang haben etwas geschaffen, das in dieser Form noch nicht existierte. “Da kann man schon ein bisschen stolz sein”, freut sich Kessel. Und verrät, dass schon eine Fortsetzung in Planung ist. Schon am Ostersonntag soll es mit den virtuellen Turnieren weitergehen. Die Anmeldung für die “VR Easter Trophy” ist bereits offen. Außerdem wird es ein entsprechendes Ranking nur für die “Virtual Roundnet Series” geben. Aus der anfänglichen Schnapsidee ist in kurzer Zeit etwas ziemlich handfestes geworden.