"Es ist aufjedenfall immer ein guter Eisbrecher"
Dieser Text ist für den Blog „Fan von DIR“ verfasst worden und wird im Rahmen einer Kooperation auch bei MUS veröffentlicht. In loser Reihenfolge könnt Ihr hier immer mal wieder passende Texte des Blogs zu unpopulären Sportarten lesen. Der Blog „Fan von DIR“ richtet den Fokus auf Frauen im Sport. Es stellen sich dort wöchentlich Sportlerinnen aus ganz Deutschland vor – von Schiedsrichterinnen über Freizeitsportlerinnen, Ehrenamtlerinnen und Frauen im Berufsfeld Sport bis hin zu Olympionikinnen. "Fan von DIR" bietet so eine Plattform, die gegen Klischees und Vorurteile im Sport kämpft und Sportlerinnen ihre Geschichte erzählen lässt.
Nadine Griebl ist Unterwasserrugbyspielerin mit Leidenschaft. Außerhalb des Schwimmbeckens arbeitet sie zudem als Referentin des Kinder- und Jugendsport, sowie in der Vereinsentwicklung des Stadtsportbund Oberhausen e.V.. Im Interview mit fanvonDir erzählt sie von ihren Anfängen im UWR, von den Hürden die innerhalb des Sports überwunden werden müssen und ihre Wünsche für die Zukunft von UWR.
Fan von DIR: Hallo Nadine, deine Sportkarriere begann ja nicht beim Unterwasserrugby. Welchen Sport hast du vorher gemacht?
Nadine: Als Kind habe ich unterschiedliche Sportarten ausprobiert und war immer in Bewegung. Von Ball-, über Tanz- bis hin zum Kampfsport. Alles hat mir Spaß gemacht, aber so richtig wohl gefühlt habe ich mich immer schon im Wasser.
Unterwasserrugby ist auch für Menschen, die Wasser lieben, meist nicht die naheliegendste Wahl. Wie kam es dazu?
Eigentlich war es eher ein Zufall: als 10-jähriges Mädchen nahmen mich gute Freunde meiner Eltern mit zum Tauchverein. Dort lernte ich das Tauchen und Flossenschwimmen kennen. Der Verein hatte auch eine Unterwasser-Rugby Mannschaft und unsere Trainer ließen uns ab und zu mit dem Unterwasser-Rugby Ball spielen. So kam ich eher zufällig das erste Mal in Kontakt mit dem Spielgerät. Die Leidenschaft war entfacht und mit der damaligen Jugendgruppe wurden Trainings mit anderen Jugendlichen aus der Gegend organisiert. Als dann mit 15 Jahren meine erste Teilnahme an einer Jugendmeisterschaft anstand, war ich bereits Feuer und Flamme.
Wieso ist Unterwasserrugby für dich der beste Sport der Welt?
Besonders gefällt mir am Unterwasser-Rugby, dass es „nicht ohne mein Team geht“. Als Mannschaftsport bringt jede ihre Stärke ein und nur gemeinsam kann man Erfolg haben. Ein Team muss gut eingespielt sein, um Erfolg zu haben. Einzelkämpfer*innen haben beim Unterwasser-Rugby keine Chance.
Wie können Leser*innen sich den Sport vorstellen?
Ziel des Spiels ist es, den salzwassergefüllten Ball in das gegnerische, unter Wasser angebrachten Tor zu legen. Dabei werden Flossen, Tauchmaske und Schnorchel als Ausrüstung eingesetzt. Alle Spieler*innen tragen außerdem eine Wasserballkappe mit der jeweiligen Spielnummer darauf. Die Mannschaftsfarben sind hell oder dunkel. Ein Team besteht aus 12 Personen. Sechs davon sind immer aktiv im Wasser und die Wechsel finden fliegend, ähnlich wie beim Eishockey, statt. Einzigartig ist, dass sich sowohl der Ball als auch die Spielerinnen und Spieler in drei Dimensionen bewegen. Die Gegnerin oder der Gegner kann von allen Seiten angreifen. Außergewöhnlich ist auch, dass wir uns während des laufenden Spiels im Wasser nicht eben etwas zurufen können. Kurze Absprachen sind nur auf der Wechselbank möglich. Pro Team können außerdem drei Auswechselspieler*innen eingesetzt werden. Schnelligkeit, Beweglichkeit, Ausdauer, Übersicht und faire Härte zeichnen Unterwasser-Rugby aus. Es ist eine Kontaktsportart und wer ein Tor erzielen möchte, muss Kontakt zum Gegner oder zur Gegnerin aufnehmen.
Im Wettkampbetrieb dauert ein Spiel zweimal 15 Minuten mit einer Halbzeit von fünf Minuten in der auch die Seiten gewechselt werden. Drei Schiedsrichter*innen überwachen das Spiel. Zwei davon sind mit Tauchgeräten immer unter Wasser, eine Spielleitung beobachtet vom Beckenrand aus, dass keine Fouls an der Oberfläche passieren und kommuniziert mit dem Protokolltisch. Die Mindesttiefe des Spielbeckens beträgt 3,50 Meter.
“Sport ist so viel mehr: die Vermittlung von Werten und Aufrechterhaltung der Gesundheit sind nur zwei Beispiele.”
Was motiviert dich, immer dein Bestes zu geben?
Am meisten motiviert mich mein Team, für das ich immer mein Bestes geben will. Außerdem motiviert mich das stetige Lernen, welches man durch ein gutes Training erfährt und sich Schritt für Schritt verbessert und weiterentwickelt. Training bedeutet für mich auch immer Spaß, auch wenn ich an meine körperlichen Leistungsgrenzen komme und es manchmal nicht so läuft wie ich es mir wünsche.
Der Sport hat mir bis jetzt sehr viel gegeben. Klar, dazu zählen sportliche Erfolge und Begegnungen mit Menschen, die man durch den Sport weltweit kennenlernte. Ich habe Vorbilder kennengelernt -Frauen wie Männer- die mir ihr Wissen und Erfahrungen vermittelt haben. Sport ist so viel mehr: die Vermittlung von Werten und Aufrechterhaltung der Gesundheit sind nur zwei Beispiele. Die gewonnenen Erfahrungen durch den Sport haben mir bereits in einigen Lebenssituationen geholfen. Durch den Sport habe ich auch liebe Freunde gewonnen, mein Team ist ein Stück zur Familie geworden.
Das klingt ziemlich intensiv. Wie sieht deine typische Trainingswoche aus?
Dreimal die Woche bin ich im Wasser und trainiere mit der Mannschaft. Dazu zählen Konditions-, Technik-, und Spieltraining. Je nachdem in welcher Wettkampfphase ich mich befinde, werden die Trainingszeiten erhöht und auch an Land trainiert.
Welche großen Erfolge konntest du bisher feiern?
Als größten Erfolg mit meiner Vereinsmannschaft sehe ich den Aufbau und die Entwicklung des Teams bis hin zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Wir zählen zu den Top-Teams in der Liga.
Zu meinen größten Erfolgen mit der Frauen Nationalmannschaft zählen der Gewinn der Europameisterschaft (2010) und Weltmeisterschaft (2015). Auch hier zählt Deutschland zu den Top-Teams und seit meiner Frauen-Nationalmannschaftskarriere konnten wir immer einen Platz auf dem Treppchen erreichen. Besonders war für mich der EM-Gewinn 2006 mit der U21-Nationalmannschaft, in der damals noch gemischtgeschlechtlich gespielt wurde. Wir waren damals zwei Frauen im deutschen Team und wurden auch eingesetzt.
Wie sind die Reaktionen, wenn du den Menschen erzählst, dass du Unterwasserrugby spielst?
Meistens gucke ich in überraschte Gesichter, denn den wenigsten ist Unterwasser-Rugby bekannt. Deshalb beginnt die Unterhaltung meist mit einer kurzen Erklärung meines Lieblingssportes. Viele sind interessiert und möchten mehr erfahren. Übers Smartphone lassen sich dann schnell gute UWR-Sequenzen zeigen. Oft werde ich auch gefragt, ob der Sport nicht zu brutal sei. Aber das kann ich verneinen, denn Verletzungen passieren recht selten. Es ist aufjedenfall immer ein guter „Eisbrecher“ und man kommt schnell ins Gespräch
Was sind deine sportlichen Ziele für die Zukunft?
Mit persönlich ist es wichtig, in einem Team zu spielen in dem sich alle auf einer Ebene begegnen und jede für sich ihr Bestes geben kann, sich wohl fühlt und wir gemeinsam Spaß haben können. Dafür werde ich meinen Beitrag leisten und mein Bestes geben. Außerdem möchte ich mit meinem Team am Champions Cup in Berlin teilnehmen. Dort haben wir noch eine Rechnung offen.
Nach meiner Nationalmannschaftskarriere kann ich mir vorstellen, als Trainerin zu arbeiten um das was ich beim Sport gelernt habe an jüngere Spielerinnen und Spieler weiterzugeben. Das ist mir ein wichtiges Anliegen.
“Meist werden Frauen vor allem in der Herrenliga unterschätzt.”
Du bist nicht nur selbst sportlich aktiv, sondern arbeitest auch im Sport. Was genau ist deine Tätigkeit?
Während meines Studiums (Sozialwissenschaft) belegte ich unter anderem Seminare an der Sportfakultät in Bochum. Danach arbeitete ich aber erstmal in anderen Bereichen. Dort erkannte ich allerdings immer wieder Schnittstellen zum Sport. Sport bildet und Bildung und Bewegung können optimal miteinander verknüpft werden. Dann kam eins zum anderen und ich bewarb mich beim Stadtsportbund Oberhausen und bin dort für die Kinder-, Jugendsport-, und Vereinsentwicklung zuständig. Auch der Sport der Älteren und Gesundheitssport zählt zu meinem Arbeitsbereich. Ein sehr vielfältiges und spannendes Arbeitsfeld in dem ich meine persönlichen Erfahrungen einbringen kann. Ich weiß, was Ehrenamt bedeutet und kann mich gut in die Lage der Vereine versetzen. Herausforderungen die Vereine stemmen müssen, sind mir bekannt und ich stehe beratend zur Seite, um Vereine zukunftsfähig aufzustellen. Neben der Arbeit im Büro bin ich auch außerhalb unterwegs und berate zum Beispiel Kindergärten, die sich auf dem Weg zum Anerkannten Bewegungskindergarten machen möchten. Mir bereitet es viel Freude, wenn ich sehe, dass Menschen Spaß an Bewegung haben und dadurch automatisch andere (soziale) Kompetenzen gestärkt werden.
Hast du oft mit Vorurteilen zu kämpfen?
Persönlich habe ich es in meinem (sportlichen) Umfeld nur sehr selten erlebt. Vereinzelt werde ich gefragt, ob der Sport nicht zu hart für eine Frau sei, vor allem unter den vielen Männern. An die körperliche Härte beim UWR muss man sich gewöhnen, vor allem wenn man erst später mit dem Sport beginnt. Mich durchzusetzen habe ich allerdings schon früh gelernt, da ich immer mit Männern trainiert und gespielt habe. Das Frauen Unterwasser-Rugby hat sich im Laufe der Jahre stark entwickelt und verbessert. Meist werden Frauen vor allem in der Herrenliga unterschätzt.
Du hast es gerade angesprochen: Unterwasserrugby wird gemischtgeschlechtlich gespielt. Wie läuft das ab?
Im Unterwasser-Rugby gibt es eine Herren- und Frauenliga. In der „Herrenliga“ sind die Teams oft gemischtgeschlechtlich aufgestellt. In der Frauenliga spielen ausschließlich Frauen gegeneinander. Ich kann gar nicht genau sagen, welche Idee dahintersteckt. Wahrscheinlich weil Frauen schon immer mitspielen durften und zum Team dazuzählten. Viele Teams in der „Herrenliga“, insbesondere in den unteren Ligen, wären ohne Frauen gar nicht spielfähig. In den drei deutschen Top-Teams sieht die Frauenquote etwas anders aus. Dort werden in wichtigen Spielen max. eine bis gar keine Frau(en) eingesetzt. Der körperliche Unterschied von Kraft und Schnelligkeit ist hier deutlicher zu spüren. Im internationalen Bereich (Europa- und Weltmeisterschaften) spielen Frauen und Herren getrennte Wettkämpfe.
Hältst du es per se für sinnvoll, gemischte Teams im Sport zu haben?
Eine Öffnung von gemischtgeschlechtlichen Wettkämpfen halte ich nicht in allen Sportarten für sinnvoll und muss differenziert betrachtet werden. Gerade in Sportarten, wo körperliche Unterschiede deutlich entscheidend sind, ist die Geschlechteraufteilung sinnvoll. In Randsportarten, Trainingseinheiten oder unteren Ligen ist der gemischtgeschlechtliche Sport besser umsetzbar und wird vereinzelt praktiziert.
Wo siehst du die Hauptprobleme bei deinem Sport?
Unterwasser-Rugby ist leider sehr zuschauerunfreundlich. Von Außen ist im Hallenbad nicht viel zu sehen, da muss man schon ins Wasser und mit Taucherbrille von der Außenseite zugucken. Mittlerweile werden größere Wettkämpfe mit Unterwasser-Kameras ins Trockene übertragen und Fans können von Zuhause oder der Zuschauertribüne aus mitfiebern.
Gibt es etwas, was du dir für deinen Sport wünschst?
Immer mehr Hallenbäder werden geschlossen oder zu reinen „Spaßbädern“ umfunktioniert. Das ist natürlich ein großer Nachteil um Unterwasser-Rugby auszuüben und Wettkämpfe durchzuführen. Ich wünsche mir in den Städten und Kommunen mehr Mitspracherecht und Anerkennung aller Wassersport-Vereine, wenn Bäderschließungen vorgesehen sind oder neue Bäder geplant werden. Das betrifft auch die Schwimmausbildung für Kinder und Jugendliche, die es weiterhin geben muss.
Warum sollten andere Unterwasserrugby unbedingt mal ausprobieren?
Weil es einfach Spaß macht sich im Wasser zu bewegen und Unterwasser-Rugby einzigartig ist. Egal, ob jung, alt, groß oder klein, jede und jeder bringt sich mit seiner individuellen Stärke ein. Außerdem macht es unglaublich viel Spaß Teil eines Teams zu sein, Vertrauen zu spüren und man weiß, dass man sich auf seine Mitspielerinnen und Mitspieler verlassen kann.
Was möchtest du zum Schluss noch unbedingt loswerden?
Mir ist es ein besonderes Anliegen den Sport mit all seinen Facetten zu mehr Anerkennung in der Gesellschaft und Politik zu verhelfen und ich möchte ein gutes Vorbild für die nachkommenden Generationen sein. Dafür setze ich mich ein, gebe meine Erfahrungen und mein Wissen weiter. Das wünsche ich mir auch von anderen.