Padel: Alles nur geklaut?
von Hannah Wolff
Wer meint, Padel sei doch nur der kleine unbedeutende Bruder vom Tennis, sollte mal über den Tellerrand schauen. In Spanien und Argentinien ist Padel eine der meist praktiziertesten Sportarten. Mit über 30.000 Plätzen gibt es in Argentinien fast so viele Padelplätze, wie es in Deutschland Tennisplätze (48.000) gibt. Und das bei etwa der Hälfte der Bevölkerung.
Padel ist also gar nicht überall unpopulär. Doch wo und wie ist dieser Sport eigentlich entstanden? Und warum ist er in Spanien und Argentinien Volkssport, während er in Deutschland noch eine absolute Randsportart darstellt? Die Frage nach der Entstehungsgeschichte zu beantworten, ist gar nicht so leicht, denn es kursieren viele teils widersprüchliche Geschichten dazu.
Padel ist unsere Sportart des Monats Juni. Alle Artikel zu dem Sport findest du hier.
Wer hat’s erfunden?
Häufig wird der Unternehmer Enrique Corcuera als Erfinder von Padel genannt. So schreibt auch der deutsche Padelverband, dass der Mexikaner aus Acapulco sich in den 60er-Jahren einen eigenen Tennisplatz wünschte. Leider war sein Grundstück dafür zu klein. Davon wollte sich Corcuera jedoch nicht aufhalten lassen und so ließ er schlichtweg einen Tennisplatz mit kleineren Dimensionen errichten. Zufälligerweise grenzte an eine Rücklinie des Platzes eine Betonmauer, vermutlich für das Sportspiel Pelota. Es dauerte nicht lange, bis die Spielenden die Mauer auch bei ihrem “Tennisspiel” mit einbezogen. Kurzerhand beschloss Corcuera daraufhin den gesamten Platz zu ummauern und der neue Sport Padel war geboren. Oder doch nicht?
Das können wir nicht sicher sagen. Natürlich ist das auf jeden Fall eine schöne Geschichte, aber es bleiben einige Fragen offen. Warum benutzte der Mexikaner zum Beispiel nicht typische Tennisschläger, sondern solide Holzschläger?
Es ist möglich, dass Tennis nicht sein einziger Einfluss war. Vielleicht hat er sich vielmehr an anderen Tennisvarianten inspiriert. Bereits in den 20er-Jahren eroberten zwei Sportarten Teile der USA, die große Ähnlichkeiten zum heutigen Padel aufweisen: Paddle Tennis und Platform Tennis. Beide werden ebenso wie Padel auf einer kleineren Grundfläche gespielt, als beim Tennis üblich. Und in beiden Sportarten werden ebenso wie beim Padel solide Schläger mit Löchern verwendet. Im Paddle Tennis ist zudem nur eine Unterhand-Angabe erlaubt, ebenso wie beim Padel. Und Plattform-Tennis-Felder sind von Wänden umgeben, die in das Spiel mit einbezogen werden können, ebenso wie beim Padel. Ihr seht die Gemeinsamkeiten sind verblüffend.
Padel erobert die spanischsprachige Welt
Wir können also nicht sicher sein, dass Enrique Corcuera wirklich zufällig Padel erfunden hat, weil sein Grundstück nicht groß genug für einen Tennisplatz war. Aber wir können nicht abstreiten, dass er der Schlüssel für die heutige Verbreitung des Sports in Spanien und Lateinamerika ist. Ohne ihn wäre Padel nämlich wohl niemals nach Spanien gelangt, wo heute das Epizentrum des Padelsports liegt.
Denn als der spanische Prinz und Unternehmer Alfonso de Hohenlohe im Jahr 1974 bei Corcuera zu Besuch ist, begeistert er sich für Padel. Zurück in Spanien lässt er in seinem Club in Marbella direkt zwei Plätze errichten und steckt dort zahlreiche Gäste mit seiner Begeisterung für den Sport an. Nicht nur in Spanien werden schnell weitere Plätze errichtet. Auch der argentinische Millionär Julio Menditengui lernt Padel in den 70er Jahren im Club in Marbella kennen und importiert ihn nach Argentinien, von wo aus Padel auch in die umliegenden lateinamerikanischen Ländern expandiert.
Als Fazit bleibt festzuhalten: Wir wissen nicht genau, wie sich die Geschichte abgespielt hat. Fakt ist aber, dass Enrique Corcuera zumindest einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Sports genommen hat, denn Padel wurde aus seinem Heimatort in Mexiko nach Spanien getragen. Und von dort aus erobert Padel seitdem die Welt. Mit über 10 Millionen Spieler*innen hat Padel die US-amerikanischen Varianten Paddle Tennis und Plattform Tennis längst abgehängt.