Jonas MUSterman denkt nach … über Online-Training mit einer Schaufensterpuppe!

 

von Jonas Breull

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Ich blicke auf den Bildschirm. Wie so oft in den vergangenen Wochen und Monaten. Nach und nach erscheinen vor mir mehr und mehr Kacheln, meist in Farbe und mit Namen beschriftet, einige auch direkt mit einem Bild des Gegenübers. Ich überprüfe meine Sound- und Bildeinstellungen, rücke die Webcam zurecht und warte. Ein alltägliches Erlebnis in der Zeit des Lockdowns. Doch heute ist es anders.

Ich sitze nicht an meinem Schreibtisch und vor mir bauen sich auch nicht die Bilder von Arbeits- oder Uni-Kollegen auf. Stattdessen stehe ich in einem umfunktionierten Yoga-Raum, umgeben von Pompfen, Juggs und einer mit Trikot versehenen Schaufensterpuppe. Anders als im Home-Office trage ich Sportklamotten, Hallenschuhe und natürlich das neongrüne Trikot der Flying Juggmen.

Auf dem Bildschirm sind andere Menschen in Jugger-Trikots zu sehen. Die Farbpalette reicht von rot über blau bis hin zu pink und lila und umfasst mit Trikots aus Deutschland und Österreich sogar zwei Nationen. Sie alle haben sich an diesem Abend Zeit genommen, an einem gemeinsamen digitalen Jugger-Training teilzunehmen. Ein wenig nervös bin ich dann doch. Nachdem mein Team den ersten Lockdown im Frühjahr mit Hilfe mehrfach wöchentlicher Posts zu möglichen Übungen überstanden hatte, war mir das im November-Lockdown bald nicht mehr genug.

Ein digitales Training für unser Kinderteam war rasch organisiert, worauf eine Woche später auch die Umsetzung eines Trainings für uns Erwachsene folgte. Angelehnt an die reinen Ausdauer- und Krafttrainings, die an vielen Stellen der Jugger-Community schon praktiziert wurden, wollte ich nun ein Training aufbauen, dass neben der Fitness auch die charakteristischen Bewegungsmuster unseres Sports integrierte und trotzdem alleine umzusetzen war. Nachdem klar wurde, dass das Interesse auch bei anderen Team groß war, setzte ich mich mit anderen Leuten aus dem Team und von außerhalb zusammen und machte mich an die Planung.

Das erste internationale digitale Jugger-Training

Und so stehe ich nun hier und beginne mit dem ersten internationalen digitalen Jugger-Training. Während des Auf-der-Stelle-Gehens, was die Gelenke und Muskeln mobilisieren soll, erkläre ich kurz den Ablauf des Trainings. In einem Rahmen von etwa einer Stunde werden wir nach den Aufwärmübungen verschiedene Duell- und Bewegungsübungen für Jugger trainieren. Vor dem Ausdehnen am Ende werden wir dann noch einige Übungen zum Training der (im Jugger unerlässlich wichtigen) Rumpfmuskulatur absolvieren. Hierfür steht mir eine meiner Teamkameradinnen zur Seite, die sich aufs Beste darin versteht, andere durch wiederholte Muskelübungen ins Schwitzen zu bringen.

Einige Laufschritte auf der Stelle, Hampelmänner und dynamische Dehnübungen später greifen wir uns alle eine Pompfe und gehen vor der Kamera in Position. Auf Ansage bewegen wir uns nun wie ein Team vor und zurück, nutzen die ideale Jugger-Haltung und greifen zwischendurch die Kamera als Ersatz für das Gegenüber an. Nachdem so an die Grundhaltung erinnert und der juggertypische Bewegungsapparat aktiviert wurde, geht es ran an die Gegner. In meinem Fall an die Schaufensterpuppe.

Während die meisten Teilnehmer*innen des Trainings auf einen Stuhl, einen Schrank oder einen Türrahmen zurückgreifen, führe ich Angriffe auf Schultern, Bauch oder Füße der Puppe aus. Die Trainingsteilnehmer*innen folgen meinen Ansagen und der Puls steigt durch die schnelle Abfolge der Schläge. Mit einigen Variationen, wie Angriffen aus höherer Distanz oder defensiv gehaltenen Attacken bauen wir unsere Schlagfolge weiter aus.

Duelle werden über die Webcam ausgetragen

Wieder Richtung Kamera gedreht greife ich schließlich meine digitalen Gegner*innen an und verleite sie dazu, als Reaktion auf mich Block- oder Ausweichmanöver durchzuführen. Ein Konzept, das interessanterweise trotz der auftretenden Internetschwierigkeiten gut funktioniert. Das Gleiche gilt für die gesamte Trainingseinheit.

Nach einem anstrengenden Muskeltraining, bei dem klar wird warum wir wieder angefangen haben gemeinsam Sport zu machen und einem Ausdehnen von Kopf bis Fuß wird klar: Es hat uns allen viel Spaß gemacht! Es werden Stimmen laut, die eine regelmäßige Fortführung des Trainings wünschen, was auch direkt freudig angenommen wird. Ein voller Erfolg, obwohl natürlich an dem Konzept und den Übungen einiges gefeilt werden kann.

Mit einigen weiteren Trainingsinhalten wie dem Üben der Antiketten-Haltung, dem präzisen Spielen des Juggs und einigen Modulen für Neulinge des Sports steht jedoch sowieso noch einiges auf dem Plan. Nach dem Training tauschen wir uns noch ein wenig über Möglichkeiten des digitalen Trainings aus, der Grundtenor ist jedoch: Es tut gut, auf diese Weise die Lockdown-bedingte Trainings- und Turnierpause zu durchbrechen und die Leute einmal wiederzusehen.

Neben dem sportlichen Aspekt ist der soziale Zusammenhalt innerhalb einer Randsportart wie Jugger essentiell. Natürlich leidet dieser in den aktuell schwierigen Zeiten. Ein Grund mehr, weiter an der Entwicklung dieses unpopulären Sports zu arbeiten und sich zu engagieren.

Als ich die Kamera abbaue, den Laptop zuklappe und mein Trainingsmaterial wieder verstaue habe ich ein Grinsen auf den Lippen, wohl wissend, dass wir heute einen guten Schritt in die richtige Richtung gegangen sind!


Genauere Informationen zu dem digitalen Jugger-Training findet ihr unter: https://youtu.be/pylaWfUc7d8


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