Erfolgsdruck und Community: Roundnet und Quidditch im Vergleich

 
Sebastian Elster in Aktion: links beim Roundnet, rechts beim Quidditch.

Sebastian Elster in Aktion: links beim Roundnet, rechts beim Quidditch.

© Rashball/unbekannt


Magazin des unpopulären Sports: Was war dein erster Eindruck bei der Roundnet-DM 2021?

Sebastian Elster: Mein erster Eindruck war: richtig geile Community.

MUS: Erinnerst du dich noch an deinen ersten Eindruck bei der Quidditch-DM 2016? 

Elster: Da sind wir hin, ohne irgendwen zu kennen, ohne irgendetwas zu wissen. Da war der erste Eindruck sehr überwältigend. Den Sport kompetitiv mit anderen Teams zu betreiben war etwas ganz besonderes und auch da war der erste Eindruck, dass es eine große Sportfamilie ist. Aber da hatte ich schon damals das Gefühl, dass es eher kompetitiv werden wird.

MUS: Zwischen den Teams?

Elster: Ja. Ich denke, ein Unterschied zur Roundnet-DM ist, dass du da quasi als Community gemeinsam hinfährst, aber in Zweierteams antrittst. Natürlich hast du am Vorabend schon gewusst, welche Teams so in die Top 6 kommen werden und es gab auch so ein Beschnuppern und ein paar Pick-Up-Games zum Spaß. Das war alles lockerer und offener wie als wir damals zur Quidditch-DM gefahren sind. Da gab es den Titelfavoriten Darmstadt, die damals in der Szene das erste Team waren, das bei den Themen Strategie und Training den anderen im Voraus war. Da war mein Eindruck ganz klar, die werden zeigen, was sie können. Das hat sich dann in dem Turnier auch auf einer gewissen Art und Weise positiv bestätigt. Sowohl der Community-Vibe, als auch das erste Mal herausfinden, was geht und was geht nicht.

MUS: Die Quidditch-DM war dein erstes richtiges Quidditch-Turnier. Beim Roundnet war es nicht so. Hattest du trotzdem ein besonderes Gefühl vor der Meisterschaft? 

Elster: Ja, auf jeden Fall. Für alle Sportler*innen ist die DM der Höhepunkt und das Turnier, wo du die Bestleistung abliefern willst. Genau so habe ich mich beim Training darauf vorbereitet. Ich habe die Saison jedes Turnier gespielt, das möglich war, da war ich schon in einem ganz anderen mentalen Trainingszustand. Das war der große Unterschied für mich, was auch jedes Quidditch-Turnier betrifft. Quidditch-Turniere sind viel seltener. Es gibt eigentlich nur drei große: die deutsche Meisterschaft, das Qualifikations-Turnier für den Europapokal und dann der European Quidditch Cup. Dadurch gibt es viel mehr Aufmerksamkeit und Hype. Da ist eine deutlich größere Anspannung. Auch weil man als Team mit 21 Spieler*innen in einem Kader hinfährt. Das bedeutet deutlich mehr Hospitality-Aufwand, deutlich mehr Planung. Also einfach an sich ist das alles ein viel größeres Event. Das Roundnet-Turnier ist vom internen Organisationsaufwand viel geringer. Dadurch ist alles etwas entspannter und der Community-Hype und Vibe kommt da erst so richtig am Tag selber auf, in dem Moment, wo man hinfährt und man auf Instagram die anderen Teams sieht, die auch hinfahren. Da kommt es dann so richtig. 

Sebastian Elster und sein Teampartner spielen gegen die Stadlers aus München bei den Berlin Roundnet Masters 2021.

Sebastian Elster und sein Teampartner spielen gegen die Stadler-Schwestern bei den Berlin Roundnet Masters 2021.

© Rashball

MUS: Bei welchem der beiden Turniere war die Vorfreude größer und bei welchem der Druck?

Elster: Die Vorfreude war auf jeden Fall bei der Roundnet-DM höher. Das lag daran, dass ich schon wusste, was ich bekommen werde. 

MUS: War damit auch der Druck bei der Roundnet-DM größer, weil du dich schon mehr vergleichen konntest?

Elster: Ja, auf jeden Fall.

MUS: Wie bist du damit umgegangen?

Elster: Ich konnte damit sehr gut umgehen. Das liegt daran, dass ich mit dem Quidditch auf mehr als sechs Jahre kompetitive Teamsporterfahrungen zurückblicke und genau weiß, welche Faktoren Druck ausüben und welche nicht. Das ist auch einer der größten Unterschiede zwischen Roundnet und Quidditch, was sowohl Vor- und Nachteil ist. Wenn du ein Roundnet-Turnier spielst, spielst du den gesamten Tag mit deinem*deiner Partner*in. Die Person hast du im Optimalfall genau danach ausgesucht, dass du mit ihr ein Turnier mit positiven Stimmungen und auch sportlichen Erfolgen bestreitest. Das heißt, du kannst dich vorher sehr leicht darauf einstellen, was der Tag bringen soll. Das musst du im Quidditch mit einem gesamten Team von 21 Spieler*innen abstimmen. Und jede von diesen Personen hat unterschiedliche Motivationen. 21 Spieler*innen zusammenzubringen ist viel schwieriger und dadurch ist viel mehr Druck da. Sobald du weißt, dass in deinem Team ein bestimmter Anteil von Menschen gewinnen will, ist damit auch der Erfolgsdruck da. Du kannst gewinnen und weißt, dass die Menschen eventuell auch enttäuscht sind, wenn sie nicht gewinnen. Das musst du im Roundnet nur mit einer Person abstimmen. Es ist auch viel leichter, deine Ziele neu zu stecken. Ich meine, wir sind da als Sportler und das heißt, wenn du Topniveau abliefern willst, sind auch immer Emotionen mit dabei. Jedem Menschen ist klar, dass ein Turnier ein sehr dünner Drahtseilakt zwischen großer Freude und großer Enttäuschung sein kann.

MUS: Jetzt mal auf die Durchführung des Turniers vor Ort geschaut. Was sind da die markantesten Unterschiede?

Elster: Ganz klar der Platzbedarf. Auf einem Feld, wo gleichzeitig sechs Quidditchteams spielen können, bekommst du im Roundnet ungefähr das fünffache hin. An sich brauchst du nur ein Fußballfeld, ein Pavillon und das ist es fast schon, weil du Roundnet-Turniere an einem Tag machen kannst. Das ist noch ein großer Unterschied. Quidditch-Turniere musst du an zwei Tagen machen. Außerdem ist ein Entscheidungsspiel im Roundnet sehr viel schneller und einfacher gespielt als ein Entscheidungsspiel im Quidditch. Einfach gesagt, Roundnet spielt sich vom Spielablauf her einfacher als Quidditch. Das liegt daran, dass man zum einen weniger bzw. gar keine Schiedsrichter braucht und zum anderen ist die körperliche Belastung deutlich geringer. Wenn du ein Quidditch-Turnier spielst, musst du dich in der Regel 30-45 Minuten vorher anfangen aufzuwärmen. Körperlich und mental. Da hast du eine sehr hohe Belastung und brauchst oft auch eine Cooldown-Phase. Im Roundnet kannst du wiederum, wenn du einmal warm bist, eigentlich mit kurzen Trinkpausen drei bis fünf Spiele, also entscheidende Spiele, in Folge spielen. Im Quidditch war es immer schon eine undenkbare Belastung zwei Spiele hintereinander zu spielen und das war auch das Maximum. Gerade in der Gruppenphase, wo die Spiele noch nicht so intensiv werden, hast du beim Roundnet den riesengroßen Vorteil, dass du die Spiele schnell absolvieren kannst. 

MUS: Was könnte sich die eine Sportart von der anderen abgucken, was die Planung eines Turniers angeht?

Elster: Die Quidditch-Turniere von der ersten DM bis jetzt, sind enorm professionell gewachsen. Besonders auf ausgewählte Gegebenheiten wie Umkleiden, Verpflegung, Krankenversorgung und Merchandise bezogen. Ich glaube, davon könnte die Roundnet-Welt sehr profitieren, weil es im Roundnet so einfach ist, die Turniere zu organisieren. Was die Quidditch-Welt von Roundnet-Turnieren lernen könnte: Was es im Roundnet gibt, ist, dass das Spielsystem in der Regel von Gruppenphase zu K.O.-Phase verändert wird. Das bedeutet, dass man in der Gruppenphase mehrere Teams treffen kann und das Spielsystem einfacher ist. Ich habe spontan keine klare Vorstellung, wie das man das für Quidditch umsetzen könnte. Wahrscheinlich nur über die Zeit. Aber ich glaube, es wäre eine große Entwicklung für den Sport, wenn entscheidende Spiele und spannende Spiele länger anhalten würden. Dass zum Beispiel in der Gruppenphase die Spiele kürzer werden. 15 Minuten und der Schnatz bringt dann nur 20 Punkte oder so. Und die Spiele ab dem Halbfinale länger, vielleicht sogar mit Halbzeiten. Stell dir vor, wie cool es wäre, wenn das Finale länger dauern würde und damit auch offener ist.

Sebastian Elster bei den Winterspielen 2017 in München.

Sebastian Elster bei den Winterspielen 2017 in München.

© unbekannt

MUS: Im Rückblick auf die beiden Turniere: Welche Sachen sind besonders gut und welche eher schlecht in Erinnerung geblieben?

Elster: Die erste Quidditch-DM habe ich gewonnen. (lacht) Als Underdog. Da ist es mir besonders gut in Erinnerung geblieben, wie wir es als Team geschafft haben, unseren Spaß zu haben und damit Leistung auf den Pitch zu bringen. Es ist ist eine unvergessliche Erinnerung, in einem Finale zu stehen, die Team-Partner*innen zu supporten und selber auch alles zu geben. Und negativ…Das kennt wahrscheinlich jede*r Quidditch-Spieler*in: Es war kalt, weil die DM im Januar war. Mir war immer kalt, nicht beim Spielen, aber vorher und nachher. Das fand ich schon immer blöd. Bei der Roundnet-DM war es ein unfassbar schönes Gefühl für mich, etwas aus dem Quidditch mitzunehmen. Und zwar habe ich versucht, das zu machen, was meine Eltern beim Quidditch oft probieren: Da zu sein, zu helfen, auch wenn es nur heißt, was Leckeres zum Essen anzubieten. Ich bin mit dem Wohnmobil meiner Eltern, was auch bei jedem Quidditch-Turnier in der Nähe vom Pitch stand, zur Roundnet-DM gefahren und habe da auch geschlafen. Da war klar, das Wochenende wird geil. Einfach weil ich wusste, dass ich mit diesem Wohnmobil dort hinfahren werde und mit so was wie Stühlen, Tape, Getränken, Magnesium oder Nussecken sowohl mir als auch anderen etwas Gutes tun kann. Ein richtiges Highlight war, dass es für alle Sportler*innen ein Mittagessen gab, das wirklich gut war. Das war ein lokales Unternehmen aus Münster, die eine Salatbowl mit Topping komplett vegan hergestellt hat, sodass man das erste Mal bei einem Turnier das Gefühl hatte, ums Essen muss ich mich nicht kümmern. Was mir vielleicht noch negativ in Erinnerung blieb…Ja gut, was soll ich sagen? Ich habe bei dem entscheidenden Spiel nicht performt oder ich und mein Partner haben nicht performt. Das ist natürlich nicht das, was du beim Turnier erleben willst, aber das ist auch das einzige, was an dem Wochenenden negativ war. Jedes andere Spiel war geil. Ich hatte das große Glück, mit dabei zu sein, als mein Teampartner am zweiten Tag der Roundnet-DM im Mixed-Turnier Vizemeister wurde. Ich hatte den ganzen Sonntag als Support für meinen Teampartner und seine Partnerin eingeplant. Das war wundervoll. Das ist auch etwas, das du im Quidditch nicht erleben wirst. Du musst du dich für eine von den beiden Rollen entscheiden. Entweder unterstützen oder spielen. Das ist natürlich was besonderes gewesen, dass ich beides machen konnte. Auch bei der entsprechenden Party am Samstag mit der Gewissheit zu feiern, dass ich am Morgen nicht mehr spielen muss und den zweiten Tag von der Seitenlinie genießen kann.

MUS: Bei deiner allerersten Quidditch-DM bist du mit den Rheinos Bonn wie erwähnt direkt Meister geworden. Beim Roundnet hat es nicht geklappt. Wann wird es soweit sein?

Elster: (lacht) Deutscher Meister? Ich glaube, eine ehrliche Einschätzung in meine Fähigkeiten geben zu können. Das ist ein Niveau, das ich niemals erreichen werde. Ich habe noch deutlich Entwicklungspotential und sehe meine Platzierungen in einem Viertel- oder Halbfinale bei einem großen Turnier, wo die besten Spieler*innen Deutschlands vertreten sind. Aber um im Finale zu spielen, glaube ich, wird es nie ausreichen. Es hat einen ganz positiven Effekt. Denn dadurch ist der Leistungs- und Erfolgsdruck etwas geringer. Klar, die Leute wissen, wir trainieren viel und wir haben auch Ambitionen, aber gehören nicht zu den Top-Topteams … Deutscher Roundnet-Meister....(lacht) Wenn das passiert, dann sponsor ich eine Riesenfeier für das MUS-Team. 

MUS: Alles klar machen wir. Vielen Dank dir!


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